100 Jahre Mercedes Kompressorfahrzeuge

Auf der Deutschen Automobil-Ausstellung (DAA) 1921 in Berlin stellte die Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) zwei komplett neue Modellreihen vor. Die Typen 6/25 PS und 10/40 PS waren die allerersten Mercedes-Fahrzeuge mit Kompressoraufladung. Diese neue Technologie sorgte dafür, dass bis zur Markteinführung noch mehr als ein Jahr verging. Doch bereits auf der Automesse vom 23. September bis 2. Oktober 1921 in den damaligen Messehallen am Kaiserdamm sorgten diese Fahrzeuge für Aufsehen. Die DAA war ein Vorläufer der heute noch bekannten IAA. Diesen Namen nutzte man bereits zwischen 1904 und 1911. In den 1930er Jahren wechselte man zu IAMA für Internationale Automobil- und Motorrad-Ausstellung.

Paul Daimler experimentierte mit Roots-Aufladung

Die Entwicklung der aufgeladenen Motoren erfolgte unter der Leitung von Paul Daimler. Als ältester Sohn des Firmengründers Gottlieb Daimler übernahm Paul 1907 nach dem Ausscheiden von Wilhelm Maybach die Leitung der Fahrzeugentwicklungsabteilung. Für die neuen Triebwerke mit 1,6 und 2,6 Litern Hubraum vertraute er auf Drehkolbengebläse nach Roots-Bauart. Die Gebrüder Philander Highley und Francis Marion Roots ließen sich 1860 diese Bauform patentieren, bei der zwei zwei- oder dreiflügelige Läufer die einströmende Luft von der Saug- zur Druckseite und verdichten sie dabei. Erste Experimente mit dem Roots-Kompressor führte Paul Daimler bereits im Ersten Weltkrieg an Flugmotoren durch. 1919 setzte er es testweise an einem Exemplar des damals aktuellen Mercedes-Knight 10/40 PS ein. Allerdings ließ sich dessen Schiebermotor nicht erfolgreich mit der Gemischaufladung kombinieren.

Roots-Kompressor für deutliche Mehrleistung

Da die Weiterentwicklung der ventillosen Schiebermotoren nicht erfolgsversprechend war, machte sich das Team rund um Paul Daimler, Otto Schilling und Albert Heeß an die Entwicklung neuer Reihenvierzylindermotoren mit klassischen Ventilen. Diese hingen V-förmig im Zylinderkopf und wurden durch eine obenliegende Nockenwelle angesteuert. Zentral zwischen den Ventilen saß in jedem Brennraum die Zündkerze. Von der Kurbelwelle im Motorblock führte eine Königswelle nach oben zur Nockenwelle und der Wasserpumpe. Das vordere Ende der Kurbelwelle trieb den zuschaltbaren Roots-Kompressor an. Allerdings wurden die Kunden angewiesen, die Mehrleistung jeweils nur kurzzeitig abzurufen, um den Motor nicht zu überlasten. Beim Typ 6/25 PS stieg die Leistung durch den Lader von 15 kW/20 PS auf 29 kW/40 PS an und beim 10/40 PS von 26 kW/35 PS auf bis zu 48 kW/65 PS. Ab 1924 deuteten die neuen Modellbezeichnungen 6/25/38 PS und 10/40/65 PS auf diese Zusatzleistung hin.

Kompressoraufladung für den Rennsport

Nachdem die DMG 1926 mit Benz & Cie. zu Daimler-Benz fusionierte, stieg Albert Heeß zum neuen Motorenkonstruktionschef für Personenkraftwagen auf. Otto Schilling kümmerte sich derweil um alle neuen Rennmotoren. Das 1,6 Liter große Vierzylindertriebwerk aus dem 6/25 PS diente bereits als Basis für einen Rennmotor mit 1,5 Litern Hubraum im 6/40/65 PS Rennwagen von 1922. Mit zwei Litern Hubraum nutzte die Mercedes-Mannschaft einen davon abgeleiteten Motor in Rennfahrzeugen 1923 beim Indianapolis 500 und 1924 bei der Targa Florio. Dieser rot lackierte Targa-Florio-Rennwagen steht inzwischen seit einigen Jahren im Mercedes-Benz Museum in Stuttgart. Spätere Modellreihen wie K, S, SS, SSK und SSKL wurden ab 1924 durch das Roots-Gebläse legendär.

Bilder: Mercedes-Benz