120 Jahre Mercedes als Marke

Eigentlich sollten Eltern keine Lieblinge unter ihren eigenen Kindern haben. Allerdings würde es dann einen heute weltweit bekannten Markennamen in dieser Form nicht geben. Wir blicken einmal kurz auf das Leben von Emil Jellinek. Er war nicht nur Diplomat von Österreich-Ungarn, sondern trotz seiner eher schlechten Schulbildung auch ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann. Er begann mit dem Verkauf von Versicherungen und nutzte schließlich die im Winter an der Riviera geschlossenen Kontakte zum Geldadel, um diesen Menschen Automobile zu besorgen. Er selbst war früh mit dem Autovirus infiziert. Auf ein Tricycle von De Dion-Bouton folgte in seinem Hof ein Léon-Bollée-Voiturette und schließlich eine Motorkutsche von Benz. 1896 hörte er erstmalig von der Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) und reiste eigens nach Cannstatt, um sich durch Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach die Werkstatt und die Fahrzeuge zeigen zu lassen. Dies führte dazu, dass Jellinek Autos von DMG ab 1898 an der französischen Südküste vertrieb und zu Werbezwecken auch bei Rennen teilnehmen ließ. Bereits damals tauchte er in den Starterlisten als ‚Monsieur Mercédès‘ auf. Hierfür ist noch zu erwähnen, dass aus seiner ersten Ehe die Söhne Adolph, Fernand Raoul und Mercédès Adrienne Ramona Manuela hervorgegangen waren. Besonders an seiner Tochter hatte er einen Narren gefressen, da diese ihn an seine Frau Rachel erinnerte, die 1893 verstarb. Zwar entstammten seiner zweiten Ehe weitere drei Söhne und eine Tochter, den Stellenwert von Mercédès erreichten sie jedoch nie.

Da er so begeistert von seiner ersten Tochter war, schlug Emil Jellinek der DMG den Namen Mercedes als Produktbezeichnung vor, was ab 1900 erst einmal mit einem neu entwickelten Motor und schließlich auch mit einem Auto umgesetzt wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Modelle nur technische Bezeichnungen getragen. Ein klangvoller Name verkauft sich jedoch besser, was Jellinek bereits früh erkannte. Gleichzeitig erhielt er einen Sitz im Aufsichtsrat der Firma und bestellte 36 Fahrzeuge, geknüpft an die Bedingung des Alleinvertriebs in Frankreich, Belgien, Österreich-Ungarn und den USA. 1902 meldete die DMG ‚Mercedes‘ als offizielles Warenzeichen an und ließ den Namen gesetzlich schützen. Ein weiteres Jahr später änderte Emil Jellinek seinen Nachnamen auf ‚Jellinek-Mercédès‘ und erbaute für seine Familie eine zweite Villa Mercedes in Nizza, die neben der ursprünglich so benannten Villa in Wien als Hauptwohnsitz diente. Sein Interesse an Automobilen ließ schließlich nach und er konzentrierte sich wieder mehr auf seine konsularischen Tätigkeiten.

Das erste mit dem neu entwickelten 35-PS-Motor ausgelieferte Mercedes-Fahrzeug erreichte die Verkaufsräumlichkeiten von Emil Jellinek in Nizza am 22. Dezember 1900. Es handelte sich um eine Rennversion, die leistungstechnisch die Speerspitze des damaligen Daimler-Programms darstellte. Chefentwickler Wilhelm Maybach legte Wert auf einen möglichst tiefen Schwerpunkt, Leichtbau und hohe Zuverlässigkeit. Der große Bienenwabenkühler wurde organisch in die Gestaltung der Karosserie integriert, wodurch der Wagen nicht mehr an eine Kutsche mit nachträglich eingefügtem Motor erinnert, sondern den Weg zum modernen Automobil einläutete. Paul Meyan, Gründungsmitglied und Generalsekretär des Automobil Club de France (A.C.F.), sagte damals: „Wir sind in die Ära Mercédès eingetreten“. Bei der damals wichtigsten Motorsportveranstaltung, der Woche von Nizza im März 1901, belegten die neuen Mercedes-Rennwagen alle vorderen Plätze und sorgten dadurch für viele Schlagzeilen und volle Auftragsbücher. In Cannstatt kam die DMG zeitweise mit der Produktion nicht mehr hinterher.

Mit dem neuen Verkaufsnamen errang Mercedes in der Folgezeit weltweit hohe Beachtung und weitere wichtige Rennsiege. 1909 meldete die DMG einen Dreizackstern und einen Vierzackstern als Markenzeichen an, setzt letztlich aber nur den Dreizackstern ab 1910 an den Produkten ein. Er steht als Symbol für Gottlieb Daimlers Bemühungen der Motorisierung zu Lande, zu Wasser und in der Luft. 16 Jahre später fügten einige Banken die Firmen von Carl Benz und Gottlieb Daimler zusammen und erschufen damit Mercedes-Benz. Als Markenzeichen führte man den DMG-Dreizackstern mit dem Lorbeerkranz von Benz & Cie. zusammen, ergänzt durch den neuen Markennamen.

In der Zwischenzeit hatte Mercédès Adrienne Ramona Manuela Jellinek den Wiener Karl Freiherr von Schlosser geheiratet und die Kinder Elfriede und Hans-Peter bekommen. Nach der Scheidung heiratete sie 1926 Rudolf von Weigl, einen Bildhauer aus Wien, der nach wenigen Monaten Ehe an Schwindsucht verstarb. Mercédès selbst starb 1929 an Knochenkrebs und wurde im Familiengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt. Sie besaß in ihrem ganzen Leben kein eigenes Automobil. Neben der Benennung der berühmten Automarke machte sie auch ein Bildhauer quasi unsterblich. Josef Valentin Kassin erschuf 1903 den Undinebrunnen in Baden bei Wien und gab dabei der Hauptfigur die Gesichtszüge von Mercédès Jellinek. Er modelierte zudem eine Klagefrau für den Wiener Zentralfriedhof, die ebenfalls dieses Gesicht erhielt. Der umfangreiche Nachlass von Mercédès Jellinek befindet sich seit 2012 im Besitz des Mercedes-Benz Classic Archivs.

Bilder: Mercedes-Benz