30 Jahre Bugatti EB110

Kürzlich wäre Ettore Bugatti, Firmengründer und langjähriger Chef der Sportwagenmarke, 140 Jahre alt geworden. Zu seinem 110. Geburtstag belebte der italienische Unternehmer Romano Artioli den berühmten Hersteller wieder, der Anfang der 1960er Jahre in eine lange Pause gegangen war. Bereits Mitte der 1980er Jahre hatte Artioli die Markenrechte erworben und seine Pläne zum Bau eines neuen Supersportwagens bekanntgegeben. In Campogalliano bei Modena entstand ein komplett neues Automobilwerk, die Fabbrica Blu. Während die verschiedenen Räumlichkeiten in die Höhe wuchsen, befand sich der geplante Supersportwagen bereits im Fahrversuch, der ihn unter anderem auch an den Polarkreis und auf die Nürburgring Nordschleife führte. Pünktlich zum 15. September 1991 lud Romano Artioli 2.000 Gäste aus Politik, Film, Sport und Zeitgeschehen nach Paris ein. Nachdem er dort persönlich den nagelneuen EB110 präsentiert hatte, fuhr ein serienreifes Exemplar gemeinsam mit einem frühen Prototyp medienträchtig über die Prachtmeile Champs Élysées.

Technologische Innovationen

Auf diese Weise verbeugte sich Artioli mit seinem Team vor den innovativen und wunderschönen Konstruktionen von Ettore Bugatti. Der neue Supersportwagen konnte sich problemlos in die Reihe seiner Vorfahren einreihen. Erstmalig in der Markengeschichte arbeitete hinter den Passagieren ein V12-Triebwerk mit fünf Ventilen pro Brennraum. Dieses erhielt vier Turbolader und entwickelte aus 3,5 Litern Hubraum 560 PS. Ein manuelles Sechsgang-Getriebe sorgte für die Kraftübertragung auf den permanenten Allradantrieb mit Visco-Sperre. Zudem nutzte Bugatti erstmals ein Carbon-Monocoque, um das Gewicht niedrig zu halten und die Torsionssteifigkeit zu erhöhen. In den Radhäusern kamen ab Werk 18 Zoll große Magnesiumräder zum Einsatz, hinter denen sich eine Brembo-Bremsanlage verbarg. Die Auflistung der technischen Innovationen mag aus heutiger Sicht nicht mehr aufregend wirken. Bedenken Sie jedoch einmal, welche dieser Entwicklungen vor 30 Jahren bei Serienfahrzeugen selbstverständlich waren.

Fahrdynamische Bestwerte

Neben den technologischen Benchmarks legte der EB110 neue fahrdynamische Bestwerte hin. Auf dem Genfer Automobilsalon 1992 debütierte neben der GT-Version eine gewichtserleichterte und leistungsstärkere Variante. Beim Super Sport (laut einigen Quellen alternativ Sport Stradale), kurz SS, erhöhten die Techniker den maximalen Ladedruck von 1,05 auf 1,2 bar, wodurch 610 PS bereitstanden. Gleichzeitig sank das Fahrzeuggewicht um 150 Kilogramm. So gerüstet spurtete er in nur 3,26 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und erreichte bis zu 351 km/h. Bis zur Rekordfahrt des McLaren F1 im Jahr 1998 hielt der EB110 damit die Spitzenposition. Im September 1994 erreichte ein auf Naturgasbetrieb umgerüsteter EB110 in Ehra-Lessien 342,9 km/h, was ein neuer Weltrekord für diesen Kraftstoff war. Auf Eis gelangen 296 km/h – wieder Rekord. Im gleichen Jahr nahm zudem ein Exemplar am 24-Stunden-Rennen in Le Mans teil, konnte das Rennen jedoch nicht beenden. Weitere Renneinsätze, unter anderem in Daytona, verliefen ebenfalls erfolglos.

Insgesamt gab es rund 144 Exemplare

Wer nun glaubt, der Bugatti EB110 seie ein reiner Technologieträger und richte sich ausschließlich an Kunden, die von einem Sportwagen möglichst ungefilterte Fahrdynamik erwarten, der irrt gewaltig. Sowohl GT als auch SS kamen ab Werk mit einer Vielzahl von Komfortausstattungen. So gehörten sowohl eine Klimaanlage, eine hochwertige Soundanlage und eine Servolenkung zum Serienumfang, wie auch elektrisch verstellbare Sitze (GT) mit Belederung von Poltrona Frau und eine Zentralverriegelung. Beim GT konnten auf Wunsch Zierleisten in Edelholz bestellt werden. Die Türen öffneten nach vorn und oben, um den Ein- und Ausstieg möglichst zu erleichtern. Aufgrund diverser Gründe geriet Bugatti ab 1995 in finanzielle Schieflage und musste schließlich die Produktion einstellen. Insgesamt entstanden lediglich rund 134 Fahrzeuge in der Fabbrica Blu. Der ehemalige Rennfahrer Jochen Dauer kaufte die verbliebenen Chassis auf und baute rund zehn Exemplare des EB110 SS auf. In den letzten zehn Jahren stiegen die Preise der Autos deutlich an.

Bilder: Bugatti, Archiv Secret Classics