30 Jahre Jaguar XJ220

Er hätte ein riesiger Erfolg werden können, doch dank einer Finanzkrise und einer Vorstandsentscheidung, die von vielen Käufern nicht verstanden wurde, erreichte der Jaguar XJ220 nie die Stückzahlen, die man erwartet hatte. Vor 30 Jahren kam der Supersportwagen auf den Markt. Nach 280 Exemplaren wurde die Produktion beendet. Langsam aber sicher entwickelt sich der Brite zu einem gesuchten Klassiker. Aber wie kam es eigentlich zu diesem Projekt? In den 1980er Jahren kämpfte Jaguar in der Gruppe-C-Sportwagenweltmeisterschaft unter anderem gegen Sauber Mercedes-Benz und Porsche um Siege und Erfolge. Entsprechend groß war das Interesse der wohlhabenden Autofansan einem Straßensportwagen, dessen V12-Triebwerk direkt von den Rennmotoren abstammte. Auf der British Motor Show 1988 wurde schließlich die Konzeptstudie des Jaguar XJ220 enthüllt. Die Zahl hinter dem bekannten Buchstabenkürzel sollte auf die mögliche Höchstgeschwindigkeit in Meilen pro Stunde hindeuten sollte (rund 354 km/h).

Entwicklung zusammen mit TWR

Bereits am ersten Messetag stapelten sich einige Blankoschecks im Backstage-Bereich des Jaguar-Stands. Dennoch dauerte es bis Dezember 1989, bis bei Jaguar offiziell grünes Licht für eine Serienfertigung gegeben wurde. Als Entwicklungs- und Produktionspartner nahm man TWR (Tom Walkinshaw Racing) ins Boot, die auch für die erfolgreichen Gruppe-C-Rennfahrzeuge von Jaguar verantwortlich waren. Man gab eine Pressemeldung heraus, nach der lediglich 350 Exemplare des XJ220 aufgelegt werden sollten. Binnen kürzester Zeit gingen mehr als 1.200 Bestellungen ein. Einige Interessenten schickten dabei die geforderten 50.000 GBP Anzahlung gleich per Scheck mit, um ganz sicher ein Fahrzeug zu erhalten. Doch während die Studie noch über Allradantrieb und einen 6,2 Liter großen V12-Motor verfügte, kürzte man die Daten und das Auto in der Serienentwicklung zusammen – und das im wahrsten Sinn des Wortes.

Von 12 auf 6 Zylinder

Zu allererst ging es ans Fahrwerk. Dabei reduzierte man sowohl den Radstand als auch die Gesamtlänge des Fahrzeugs. Auch der Allradantrieb fiel unter den Tisch. Der Renn-V12-Motor fiel ebenfalls dem Rotstift zum Opfer und wurde durch einen 3,5 Liter großen V6 mit Biturbo-Aufladung ersetzt. Dessen Grundzüge gehen jedoch ebenfalls auf den Motorsport zurück: Ohne Turbolader versah er seinen Dienst im MG Metro 6R4, dem britischen Aufgebot in der Gruppe-B-Rallye-Weltmeisterschaft. Im Jaguar XJ220 leistete das Aggregat 399 kW/542 PS, wobei Jaguar selbst in späteren Quellen sogar von 405 kW/550 PS sprach. Die Kraft wurde über ein manuelles Fünfgang-Getriebe auf die 345er Hinterreifen übertragen. Bereits während der Erprobung wollte Jaguar gern das selbst gesteckte Ziel – 220 mph Höchstgeschwindigkeit – unter Beweis stellen. Prototyp Nummer 002 umrundete im September 1990 den Ovalkurs von Bruntingthorpe, wo der Wagen 186 mph (299 km/h) erreichte.

220 mph knapp verpasst

Später im Entwicklungsprozess fuhr Testfahrer Andy Wallace mit Chassisnummer 004 während Hochgeschwindigkeitstestfahrten in Fort Stockton/Texas 213 mph (342,7 km/h) schnell. Dieser Wert wurde mit einem weiteren Vorserienfahrzeug im italienischen Nardo noch einmal getoppt. 218 mph (350,8 km/h) konnten erreicht werden. Damit verpasste der XJ220 zwar das gesteckte Ziel um zwei Meilen pro Stunde, aber war dennoch bis zum Erscheinen des McLaren F1 offiziell das schnellste Serienauto der Welt. Trotzdem wendeten sich viele Interessenten von der Serienumsetzung des XJ220 ab, da sie ursprünglich von einem Le Mans-Rennwagen für die Straße geträumt hatten. Dazu zählte für sie eben auch das V12-Triebwerk. Dazu kam die unglückliche Lage, dass bei Verkaufsstart im Juli 1992 gerade eine Finanzkrise herrschte, durch die weitere potenzielle Kunden absprangen.

Sechsmal Rennoptik ab Werk

Als verkaufsfördernde Maßnahme baute TWR drei XJ220 S auf, die beim prestigeträchtigen 24-Stunden-Rennen in Le Mans in der GT-Klasse an den Start gingen. Zwar fuhr ein Fahrzeug dabei den Klassensieg ein, doch alle drei Wagen wurden nachträglich disqualifiziert. TWR hatte während des Rennens auf den vorgeschriebenen Katalysator verzichtet. Dennoch erhielt das Rennteam im Anschluss Anfragen von Kunden, die gern ein Straßenfahrzeug mit dem Aerodynamikpaket des Rennfahrzeugs haben wollten. Daher wurden insgesamt sechs XJ220 S mit Straßenzulassung hergestellt. Zusätzlich zum Spoilerkit, bestehend aus Carbon- und Kevlar-Bauteilen, erhielten diese Fahrzeuge ein Leistungs-Upgrade auf rund 500 kW/680 PS. Noch deutlich exklusiver ist der Jaguar XJ220, den sich Prinz Jefri, Bruder des Sultans von Brunei, für seine riesige Autosammlung bei Pininfarina umbauen ließ. Wieviele Exemplare Pininfarina insgesamt umgebaut hat, bleibt bis heute ein Geheimnis.

Wertsteigerungspotenzial

Bekannt ist hingegen, dass mindestens 18 Jaguar XJ220 nach Brunei ausgeliefert wurden. Weitere prominente Besitzer sind oder waren Sir Elton John, Flavio Briatore und natürlich Tom Walkinshaw, der mittlerweile verstorbene Gründer von TWR. Nach 280 Exemplaren endete 1994 die Produktion des XJ220. In der Zwischenzeit hat sich das Fahrzeug zwar noch nicht zum gesuchtesten Jaguar-Modell gemausert, aber die Preise steigen kontinuierlich. Waren vor rund 15 Jahren noch 150.000 € für ein gutes Exemplar ausreichend, liegt der Wert mittlerweile bereits bei rund 500.000 €, wobei einzelne Fahrzeuge immer mal wieder darüber angepreist werden. Sollten Sie sich also für einen XJ220 interessieren, gilt es langsam aber sicher zuzugreifen. Vor rund zehn Jahren kündigte Jaguar mit dem C-X75 einen neuen Supersportwagen an. Dabei wiederholte sich die Geschichte, der ursprüngliche Antrieb sollte nicht in die Serie übertragen werden. Am Ende schaffte es der Prototyp nur in den James-Bond-Film Spectre, aber nie auf die Straße.

Bilder: Jaguar, Pininfarina