30 Jahre Volkswagen Corrado
Volkswagen zählte viele Jahre lang zu den biederen Marken der Automobilgeschichte. Kein Wunder, schließlich konnten Modelle wie Käfer, Bus, Typ 3 und Typ 4 nicht unbedingt durch extravagantes Design, Sportlichkeit oder übermäßigen Luxus auffallen. Selbst der Karmann Ghia oder der VW-Porsche 914 änderten diese Außenwahrnehmung nur in begrenztem Maße, da die Optik mehr versprach als die Technik bot. Dies galt auch noch, als man ab Ende der 1960er Jahre mit Giorgetto Giugiaro zusammenarbeitete und gemeinsam neue Modellreihen wie den Golf, den Passat, den Polo und das Coupé Scirocco auf den Markt brachte. Nun passte zwar die Optik in die kantigen 1970er Jahre hinein, Luxus oder gar Sportlichkeit gehörten aber immer noch nicht zu den Kernthemen in Wolfsburg. Erst mit dem von einigen Ingenieuren nach Feierabend erarbeiteten Golf GTI änderte sich dies. Technik und Fahrwerk wanderten auch in den Scirocco. Allerdings handelte es sich aus Sicht von Sportwagenfans immer noch um biedere Vierzylindermotoren, die jeweils für den Vortrieb sorgten. Auch die zweite Modellgeneration des Scirocco, die 1981 zu den Händlern rollte, trat in diesem Punkt unverändert auf.
Zeitgleich mit der Markteinführung des Scirocco II begann in Wolfsburg die Entwicklung eines angedachten Nachfolgemodells mit dem Kürzel EA 494. Während beide Scirocco-Generationen technisch noch auf dem Golf I basierten, zog man nun den Golf II in Betracht. Ursprünglich sollte die dritte Auflage günstiger und kompakter ausfallen als die zweite. Letztlich gelang dies nur bei der Fahrzeuglänge und selbst da nur um 20 Millimeter. Während der Entwicklungszeit wurde schnell klar, dass mit einer veränderten Motorenpalette kein geringerer Verkaufspreis möglich sein würde. Daher beschloss man 1984, den Scirocco II parallel zum neuen ‚Scirocco III‘ weiterzubauen. Zudem überlegte man an einem zusätzlichen, kleineren Sportcoupé auf Basis des Polo, um den Scirocco II schließlich 1988 ablösen zu können. Dieser Plan entfiel schließlich gänzlich zugunsten einer um nochmals vier Jahre verlängerten Produktionszeit des Scirocco II und einer Umbenennung des neuen Autos von Scirocco III auf Corrado mit eigenständiger Positionierung als Sportwagen und Technologieträger. Der Name entstammt dem spanischen Wort ‚correr‘ (laufen) und ersetzte den internen Projektnamen ‚Taifun‘, unter dem das Sportcoupé inzwischen durch die Gerüchteküche der Automobilpresse lief.
Optisch passte sich der Corrado dem damaligen Markendesign an. Klare Kanten, rechteckige Scheinwerfer und eine minimal ansteigende Gürtellinie zieren das Coupé. Unterhalb der Heckscheibe saß erstmals ein automatisch aus- und einfahrender Spoiler, der sich in Europa bei 120 und in den USA bereits bei 75 km/h erhebt, um mehr Anpressdruck zu generieren. Beim Bremsen oder langsamer Fahrt legt er sich wieder bündig auf dem Heck ab. Motorenseitig bot Volkswagen den Corrado ab 1988 erst einmal ausschließlich mit einer 1,8 Liter großen Vierzylinder-Maschine an, die durch einen eigens patentierten G-Lader mit Druckluft im Ansaugtrakt versorgt wurde. Diese Aufladungstechnik erhielt ihren Namen durch das G-förmige Spiralgehäuse des speziell entwickelten Laders, der sein Debüt beim Polo G40 gab und anschließend auch den Corrado G60 befeuerte. MItte 1991 folgten parallel ein zwei Liter großer Vierzylindermotor mit 16 Ventilen und 136 PS sowie ein VR6-Triebwerk mit 190 PS aus 2,9 Litern Hubraum. Von 1993 bis zum Produktionsende 1995 ersetzte eine Einstiegsmotorisierung mit 115 PS aus zwei Litern den G60. Für einige Exportmärkte entstand der Corrado auch als 1.8, 1.8 16V und 2.8 VR6. Die restliche Technik und das Chassis bestand aus Teilen von Golf II, Golf III, Passat B3 und Passat B4.
Auch die Serienausstattung konnte sich sehen lassen. Eine Windschutzscheibe mit Grünkeil nebst grün eingefärbter Wärmeschutzverglasung rundum, ABS, höhenverstellbare Sportsitze vorn, Servolenkung, Nebelscheinwerfer sowie in Wagenfarbe lackierte und elektrisch verstellbare Außenspiegel mit Heizfunktion waren ab Werk an Bord. Optional gesellten sich Metallic-Lackierungen, Lederpolster und ein Schiebedach hinzu. Für das Modelljahr 1992 erhielt der Corrado eine neue, höhere Motorhaube, breitere vordere Kotflügel, eine modifizierte Frontschürze, einen modernisierten Kühlergrill sowie einen veränderten vorderen Querträger, um den Einbau des größeren Sechszylinder-Motors zu ermöglichen. Zudem stieg das Tankvolumen von 55 auf 70 Liter, während das Kofferraumvolumen zeitgleich von 300 auf 235 Liter sank. Nach 97.521 Exemplaren endete im Juni 1995 die Produktion bei Karmann. Mindestens zwei Fahrzeuge wurden dort in Cabrios verwandelt, um eine mögliche zweite Karosserievariante in Wolfsburg vorzuschlagen. Letztlich blieb diese Version im Prototypenstadium hängen. Inzwischen hat der Corrado den Weg durch die Talsohle der Gebrauchtwagen hin zum gesuchten Youngtimer hinter sich gebracht. Erste Exemplare erhalten seit Oktober in Deutschland ein H-Kennzeichen.
Bilder: Volkswagen