45 Jahre Renault 20 und 30
Seit dem Produktionsende der Frégate im Jahr 1960 führte Renault keine Modellreihe oberhalb der Mittelklasse mehr. Dies veränderte sich erst 15 Jahre später, als auf dem Genfer Autosalon eine neue große Schräghecklimousine debütierte. Mit dem Zahlenkürzel 30 stand dort das erste selbstentwickelte Sechszylindermodell des französischen Herstellers nach dem Zweiten Weltkrieg, wobei die Zylinder erstmalig in V-Formation angeordnet waren. Bereits einen Monat vor der Premiere hatte die Produktion in Sandouville begonnen, sodass erste Exemplare direkt nach der Automesse zu den Händlern rollten. In den offiziellen Unterlagen warb man mit den Worten: „Ein Wagen für viel fahrende Manager und Unternehmer“. Die optische Gestaltung orientierte sich klar am Renault 16, der als indirekter Vorgänger angesehen und zu diesem Zeitpunkt bereits zehn Jahre lang produziert wurde. Durch die große Heckklappe inklusive der hinteren Scheibe konnte das Gepäckabteil besonders leicht beladen werden. Zudem ließ sich die Rückbank längs verschieben und umklappen, wodurch das Volumen auf bis zu 1.550 Liter anstieg.
Im Herbst 1975 schob Renault die optisch baugleiche Vierzylinder-Baureihe 20 nach. Hauptunterscheidungsmerkmal waren die Scheinwerfer. Während der R30 runde Doppelscheinwerfer erhielt, zeigte der R20 rechteckige Breitband-Leuchteinheiten. Einzig für den schwedischen Markt mussten die Leuchten des R30 auch beim kleineren Modell genutzt werden, da dort Scheinwerfer mit Wischern vorgeschrieben waren. Um die höhere Positionierung des R30 zu unterstreichen, erhielt dieses Modell zudem mehr Chrom-Zierteile und eine bessere Ausstattung. Von hinten und in der Seitenansicht nahmen R20 und R30 ein wenig das Design des 1977 präsentierten Audi 100 Avant vorweg. Wie dieser kombinierten sie das Schrägheck mit dreieckig geformten Seitenscheiben hinter den Türen und waagerecht angeordneten Rückleuchten. Ursprünglich hätte der R30 unter dem internen Entwicklungscode P127 bereits Ende der 1960er Jahre als V8-Oberklassemodell die Palette ergänzen sollen. Allerdings verzögerten sich die Entwicklungsarbeiten immer wieder. Letztlich setzte die weltweite Ölkrise 1973 den Bestrebungen ein Ende und führte dazu, dass aus dem fast serienreifen V8-Triebwerk gemeinsam mit Peugeot und Volvo ein V6 entwickelt wurde. Dieses mit den Initialen der drei beteiligten Hersteller versehene Aggregat (PRV-Motor) gelangte bis 1998 in diverse Fahrzeuge.
Renault 20
Während die Premiere des Renault 20 bereits im Oktober 1975 erfolgte, konnten deutsche Kunden ihn erst ab Februar 1976 in Empfang nehmen. Anfänglich trieb den R20 das 1,6 Liter große Vierzylindertriebwerk aus dem R16 TX mit 66 kW/90 PS und 134 Newtonmetern Drehmoment an. Hier lief er als L, TL oder GTL, je nach gewünschter Ausstattung. Ab Mai 1977 stieg die Leistung auf 71 kW/97 PS an. Parallel dazu gab es ab August des gleichen Jahres einen neu entwickelten, zwei Liter großen Vierzylindermotor mit 80 kW/109 PS im LS und TS, die serienmäßig elektrische Fensterheber, Servolenkung und Zentralverriegelung erhielten. Im Herbst 1980 erfolgte ein kleines Facelift, durch das der kleine Motor aus dem Programm entfiel. Stattdessen rückte die neue Topversion TX mit einem 2,2 Liter großen und 85 kW/115 PS starken Triebwerk ins Portfolio.
Ende 1979 stieg Renault ins Dieselzeitalter ein und präsentierte den R20 als TD und GTD. Das neu entwickelte Saugdieseltriebwerk mit 2,1 Litern Hubraum brachte es auf 47 kW/64 PS sowie 124 Newtonmeter Drehmoment. In Zusammenspiel mit der recht großen Limousine und dem Leergewicht von rund 1.250 Kilogramm ergaben sich vergleichsweise zurückhaltende Fahrwerte. So betrug die Beschleunigungszeit aus dem Stand auf Tempo 100 20,8 Sekunden, während dem Fahrzeug bei 148 km/h bereits die Luft ausging. Für Kunden, die gern die Vorteile von geringem Kraftstoffverbrauch mit etwas besseren Fahrleistungen verbinden wollten, ergänzte ab 1982 die TurboD genannte Variante mit Turboaufladung und Ladeluftkühlung das Programm. Mit 63 kW/86 PS und 181 Newtonmetern Drehmoment stellte der R20 TurboD das erste Serienfahrzeug mit Turbodieselmotor und Ladeluftkühlung dar. Von den 622.541 gebauten Exemplaren zwischen 1975 und 1984 gelangten etwa 58.000 Stück nach Deutschland. Zwei Fahrzeuge, die auf Allradantrieb und Turboaufladung umgebaut wurden, nahmen 1982 an der Langstreckenrallye Paris-Dakar teil, wobei die Gebrüder Marreau mit der Startnummer 150 den Gesamtsieg errangen. In geringer Auflage gab es den R20 als Lizenzversion Dacia 2000 für regierungsnahe Organisationen in sozialistischen Staaten.
Renault 30
Das größere Topmodell Renault 30 verfügte über die gleiche Schrägheck-Karosserie, die nach den gängigsten Erkenntnissen zur Fahrzeugsicherheit entwickelt worden war. So integrierte man Knautschzonen vorn und hinten sowie Seitenaufprallschutz in den Türen. Aufwändige Fahrwerkstechnik traf im R30 TS auf den PRV-Motor, der in der Urversion bis Mitte 1976 aus 2,6 Litern Hubraum 131 PS holte. Diese Leistung reduzierte man anschließend auf 128 PS, die wie im R20 über ein manuelles Fünfgang-Getriebe auf die Vorderräder übertragen wurden. Ab Oktober 1978 bot Renault den PRV-Motor alternativ auch mit Bosch K-Jetronic Einspritzsystem im R30 TX an, wodurch 105 kW/143 PS bereitstanden. Zudem gab es auch den Renault 30 ab 1982 als TurboD mit dem 2,1 Liter großen und 86 PS starken Turbodieselmotor inklusive Ladeluftkühlung.
Durch den höheren Grundpreis entstanden in rund neun Produktionsjahren lediglich 160.193 Exemplare. Davon verkaufte Renault etwa 18.000 in Deutschland. Heutzutage finden sich beide Baureihen höchst selten im Straßenbild oder auf Oldtimertreffen. Zusätzlich gab es sowohl den R20 als auch den R30 in Lateinamerika, wo er zwischen 1977 und 1983 im Werk Mariara im Norden Venezuelas gefertigt wurde. Als Nachfolgemodell für beide Baureihen präsentierte Renault 1984 den R25 mit ähnlichem Karosseriekonzept.
Bilder: Renault