100 Jahre Citroën Typ A 10 HP

Woran denken Sie zuerst, wenn die französische Marke Citroën zur Sprache kommt? An den rudimentären und zugleich weltbekannten 2CV, die ‚Gangster-Limousine‘ Traction Avant, das Coupé SM mit Maserati-Technik oder die göttliche DS? Manch ein Leser mag sogar Erfahrungen hinter dem Steuer oder auf dem Beifahrersitz eines Citroën gesammelt haben. Doch den wenigsten dürfte bewusst sein, dass diese große französische Marke 2019 exakt 100 Jahre alt wird – es sei denn Sie haben es bereits der aktuellen Citroën-Werbung entnommen. Alles begann damit, dass André Citroën von einem bezahlbaren Auto träumte, das nicht nur günstig in der Anschaffung, sondern auch in den folgenden Betriebskosten sein sollte. Der Firmengründer kam aus dem Maschinenbausektor und erwarb 1900 auf einer Reise durch Polen ein Patent für Verzahnungsmaschinen, die Pfeilverzahnungen für Zahnräder herstellen konnte. Diese Pfeilverzahnung führte zum Markenlogo seiner eigenen Firma Citroën, die er nach dem Ende des Ersten Weltkrieges mit dem Geld gründete, das er während der Kriegsjahre durch die Herstellung von rund 23 Millionen Schrapnellgranaten verdient hatte. Mit dem Typ A 10 HP erschufen er und seine Mannschaft nicht nur das erste Fahrzeug der Markengeschichte, sondern zugleich den ersten französischen PKW in Großserienfertigung. Zugleich saß erstmals bei einem Auto aus Frankreich das Lenkrad auf der linken Seite.

Optisch entspricht der Citroën Typ A klar den damals gängigen Gestaltungsmerkmalen mit langer Motorhaube, senkrecht stehender Windschutzscheibe, faltbarem Stoffverdeck und frei stehenden Kotflügeln. Während Passagiere hinten nur durch eine schmale Tür auf der rechten Fahrzeugseite einsteigen konnten, befindet sich links ein vollwertiges Ersatzrad außen an der Karosserie. Vorn sind Türen auf beiden Seiten verbaut. Zudem verfügte der Typ A bereits ab dem Produktionsstart serienmäßig über einen elektrischen Anlasser und elektrische Beleuchtung. Innen zeigt sich der Wagen aus heutiger Sicht ungewöhnlich spartanisch mit nur einem Rundinstrument für die Batteriespannung hinter dem steil stehenden Lenkrad, einem Schalter, dem Gangwählhebel und drei Pedalen im Fußraum. Heute selbstverständliche Dinge wie Airbags, Sicherheitsgurte, Einzelsitze, eine Belüftung und Klimatisierung oder gar ein Display für Infotainment-Funktionen waren damals noch undenkbare Ideen aus Science-Fiction-Romanen (falls überhaupt jemand 1919 derartige Überlegungen anstellte). Selbst einen Tacho oder einen Drehzahlmesser sucht man vergeblich. Kein Wunder, waren damals in den allermeisten Ländern doch noch Pferde- und Ochsenfuhrwerke gebräuchlich, deren Höchstgeschwindigkeit nicht besonders hoch war. In Frankreich führte die zunehmende Verbreitung von Automobilen schließlich zu diversen Unfällen, Diskussionen über Verkehrsregeln und schließlich eine besondere Tat durch André Citroën: Er ließ 1921 im gesamten Land 165.000 Verkehrsschilder aufstellen. Zur gleichen Zeit hatte er allein in Frankreich bereits über 300 Händler und bot bereits Leasing-Verträge und Leihwagen an.

Am 4. Juni 1919 hatte André Citroën den Typ A 10 HP auf der Champs-Elysees in Paris erstmals öffentlich vorgestellt. Dank eines Grundpreises von nur 7.950 Franc hielt er alsbald reichlich Bestellungen in seinen Händen. Unter der Motorhaube saß ein 1,3 Liter großer Vierzylindermotor aus Aluminium, der bei 2.100 U/min 18 PS entwickelte. Damit war eine Höchstgeschwindigkeit von 65 km/h möglich, während der durchschnittliche Kraftstoffverbrauch bei 7,5 Litern auf 100 Kilometern lag. Die Benennung des Typ A 10 HP bezieht sich auf die damaligen französischen Steuerklassen, nach denen 10 der 18 PS versteuert werden mussten.

Neben der von uns gezeigten Torpédo-Karosserie bot Citroën ab Werk auch ein offenes Stadt-Coupé, das geschlossene Doktor-Coupé, eine Taxi-Version sowie einen Pritschenwagen mit 300 Kilogramm Nutzlast an. Hinzu kamen Lieferwagen und Rettungswagen. Bereits 1921 präsentierte man mit dem B2 ein Nachfolgemodell. Bis zur Produktionsumstellung entstanden 24.093 Exemplare des Typ A 10 HP.

Bilder: Citroën, Matthias Kierse