70 Jahre Jaguar XK 120
Wer heute an Jaguar als Automarke denkt, hat entweder eine luxuriöse Limousine oder einen rassigen Sportwagen wie den E-Type vor Augen. Dass die Geschichte der sportlichen Modelle jedoch vor exakt 70 Jahren begann, wissen wohl nur die wenigsten Leser. Vor dem Zweiten Weltkrieg firmierte die Marke noch unter ‚Swallow Sidecar Company‘ und kürzte dies auf den Fahrzeugen häufig als S.S. ab. Aufgrund der Verwendung dieser Abkürzung durch die Nazis entschied man sich in Großbritannien jedoch für eine Umbenennung und nutzte in der Nachkriegszeit die Modellbezeichnung eines Vorkriegssportwagens als neuen Markennamen: Jaguar. 1948 erschien dann mit dem XK120 auch endlich ein legitimer Nachfolger für den S.S. 100 der Vorkriegsära.
Als Debütort wählte Jaguar die heimische London Motor Show, wo der XK120 naturgemäß hohes Publikumsinteresse erfuhr. Dieses erhöhte sich noch zusätzlich, als man bekanntgab, die Nummerierung stünde für die zu erwartende Höchstgeschwindigkeit in Meilen pro Stunde. Hierfür hatte man eigens einen neuen Sechszylinder-Reihenmotor mit 3,4 Litern Hubraum und zwei obenliegenden Nockenwellen entwickelt, der 119 kW/162 PS leistet. Diese Kraft gelangt über ein manuelles Viergang-Getriebe auf die Hinterachse. Das Triebwerk verrichtete in weiterentwickelter Form mit 3,8 und 4,2 Litern Hubraum noch bis 1992 Dienst in verschiedenen Jaguar-Modellen. Um seine Leistung unter Beweis zu stellen, ließ Jaguar am 30. Mai 1949 in Belgien die Autobahn zwischen Ostende und Jabbeke sperren, um dort einen Rekordversuch in beiden Fahrtrichtungen zu unternehmen. Das Zeitnehmerteam wurde vom belgischen Royal Automobile Club gestellt und ermittelte für die Durchfahrten eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 132,6 mph (rund 213,4 km/h). Mit einem Tonneau-Cover über dem ungenutzten Beifahrerplatz waren es sogar 135 mph (rund 217,3 km/h). Damit war der XK120 lange Zeit der schnellste Sportwagen der Welt. Im Vergleich zum Serienfahrzeug verfügte der genutzte Prototyp über kleine Aero-Scheiben anstelle der Windschutzscheibe und eine länger übersetzte Hinterachse, wobei beide Änderungen ab Werk für Kunden optional erhältlich waren. In späteren Produktionsjahren folgten weitere Rekorde sowie Renn- und Rallyesiege für den XK120.
Anfänglich bot Jaguar den XK120 ausschließlich als zweisitzigen Roadster mit einer über einer Eschenholzkonstruktion montierten Aluminiumkarosserie und abgedeckten Hinterrädern an. Ab 1950 führte man nach 242 gebauten Fahrzeugen Stahlkarosserien ein, die rund 51 Kilogramm mehr auf die Waage bringen, wobei Türen und Hauben weiterhin aus Aluminium bestanden. Die ursprüngliche Karosserieform ist im englischen Sprachgebrauch als ‚OTS‘ (Open Two-Seater) bekannt, während die beiden später hinzugefügten Varianten als ‚FHC‘ (Fixed Head Coupé, ab 1951) und ‚DHC‘ (Drop Head Coupé, ab 1953) liefen. Während man aus heutiger Sicht schon noch von einer eher klassischen Form sprechen würde, war die Gestaltung des XK120 für ihre Zeit sehr progressiv. Die Scheinwerfer waren zwischen Kotflügeln und Motorhaube in die Karosserie integriert und standen nicht mehr frei im Fahrtwind. Auch die Kotflügel selbst schmiegten sich ans Fahrzeug an und waren in ihren ausladenden Formen nur noch durch Sicken seitlich angedeutet.
Ab Juni 1951 gab es gegen Aufpreis das ‚Special Equipment‘ (SE), welches schärfere Nockenwellen und ein doppelflutiges Abgassystem beinhaltete und die Motorleistung auf 182 PS steigerte. Nachdem Jaguar mit dem C-Type (intern: XK120 C) im Rennsport Erfolge erzielte, bot man sportbegeisterten Kunden über die offiziellen Händler den Zylinderkopf des Rennwagens nebst anderer Vergaser von SU oder Weber an, was zu 213 bis 223 PS führte und den XK120 bei Clubsportrennen weiterhin konkurrenzfähig hielt. Insgesamt entstanden bis 1954 12.045 Exemplare des britischen Zweisitzers, bevor er vom optisch und technisch weiterentwickelten, größeren XK140 abgelöst wurde. Heute suchen Sammler natürlich besonders nach den ersten 242 Exemplaren, doch auch spätere XK120 sorgen für viel Fahrspaß.
Bilder: Jaguar, Archiv