Automotive Art 12 – Jaguar XK120
Jaguars erster Nachkriegssportwagen entstand als Schnellschuss für die London Motor Show 1948. Sir William Lyons zeichnete zeitlose Linien.
Herzlich willkommen zu einem neuen Teil unserer monatlichen Automotive Art Sektion mit Fotograf und Lichtkünstler Bill Pack. Er rückt das Design von Oldtimern in besonderem Maße in Szene und erklärt seine Interpretation der Styling-Ideen mit einigen interessanten Bildern, die er in seinem eigenen Stil aufgenommen hat. Am Jahresende 2019 blicken wir auf jenen Sportwagen zurück, der maßgeblich dazu beigetragen hat, die Marke Jaguar zu etablieren.
In den Kopf des Designers – von Bill Pack
Es ist einfach, viele Fakten und Informationen über jeden Automobil-Designer zu erfahren. So lässt sich schnell herausfinden, für welche Firmen sie im Laufe der Zeit gearbeitet haben, welche Automodelle sie entworfen haben und welche Innovationen sie in die Branche gebracht haben. Wir wissen also viel von ihnen, aber wir kennen sie nicht. Mit meinen Bildern versuche ich, in die Seele und den Geist des jeweiligen Designers zu gelangen. Ich konzentriere mich auf bestimmte Teile des Autos und verwende meine Beleuchtungstechnik, um die emotionalen Linienführungen des Designers hervorzuheben.
Jaguar XK120 – Gezeichnet von Sir William Lyons
Wenn eine Person eine Leidenschaft und einen Drang zum Erschaffen besitzt, unabhängig von zur Verfügung stehenden Werkzeugen, findet die Kreativität immer einen Weg, sich zu entfalten. Im vergangenen Jahr haben wir viele verschiedene Automobildesigner und ihre unterschiedlichen Ansätze kennengelernt und untersucht, was sie sich ausgedacht haben, um jene skulpturalen Meisterwerke zu erschaffen, an denen wir Freude haben.
Sir William Lyons war in dieser Hinsicht nicht anders, wie wir feststellen werden. Lyons wurde 1901 geboren. Sein Vater war ein irischer Einwanderer, der ein Geschäft für Musikinstrumente in der englischen Küstenstadt Blackpool betrieb. In jungen Jahren hatte Lyons eine besondere Begeisterung für große Maschinen. Mit der Hilfe seines Vaters begann er eine Ingenieursausbildung bei Crossley Motors in Manchester. Hier entwickelte Lyons sein Interesse an der Automobilindustrie.
Für einige Zeit arbeitete er bei einem Sunbeam-Händler, wo er mit William Walmsley Freundschaft schloss. Durch diese Freundschaft ergab sich die Möglichkeit, Seitenwagen für Motorräder zu fertigen, woraus bald die eigene Firma S.S. (Swallow Sidecars) Ltd Motor Company entstand, die nach dem Zweiten Weltkrieg zur Jaguar Cars Ltd umfirmiert wurde. Lyons hatte eine Vision und einen Antrieb, der zur Schaffung einiger der schönsten Automobile der Welt geführt hat. Er ließ sich nicht von der Tatsache abschrecken, dass er nicht in den traditionellen Methoden eines Autodesigners ausgebildet war.
Lyons kreatives Genie war seine Fähigkeit, ein Team von Kreativen zusammenzustellen und sie anzuleiten, seine Visionen in die Realität umzusetzen. Das Team war sein kreatives Werkzeug und Ton war sein Medium, um sich auszudrücken, wenn die Ideen aus seinem Kopf Gestalt annehmen sollten. Es war eine enge Zusammenarbeit zwischen Lyons und seinem Team, wobei nichts seinem strengen Blick entging.
Das Beispiel unten in unserer Bildergalerie ist ein Jaguar XK120 M mit Aluminiumkarosserie von 1953. Der Lauf der Zeit ist erhalten geblieben und erzählt eine reichhaltige Geschichte. Man spürt förmlich die vielen Hände, die das Lenkrad angefasst haben, kann die vielen Rennen, Straßen und Kilometer vor sich sehen, die der Wagen zurückgelegt hat.
Menschen, die Autos lieben, wissen, dass ein Auto niemals einfach nur ein Auto ist. Es ist ein Gefäß für die Geschichte. Eine Sinneserinnerung an eine längst vergangene Ära aus Leder und Metall. Es beginnt mit der Vision eines Designers und setzt sich fort, während das Fahrzeug mit der Geschichte seines Besitzers und seiner Passage durch die Zeit und das jeweilige Terrain verbunden wird.
Nehmen Sie sich Zeit und genießen Sie diese visuelle Geschichte, die vor vielen Jahren mit Sir William Lyons begann. Alles geht auf die Vision eines Mannes zurück, der mit einem kreativen Team und einem Block englischen Ton diese Formen erdachte.
Jaguar XK120 – Details – von Matthias Kierse
Mit dem XK120 präsentierte Jaguar 1948 den ersten eigenen Sportwagen. Das Vorgängermodell lief noch als S.S. 100 vom Band, was jedoch durch den jüngst zurückliegenden Zweiten Weltkrieg als nicht mehr zeitgemäß empfunden wurde. Für das neue Fahrzeug entwickelte das Ingenieursteam unter Sir William Lyons einen 3,4 Liter großen Reihensechszylindermotor mit zwei obenliegenden Nockenwellen und rund 160 PS, der in Verbindung mit dem serienmäßigen Viergang-Getriebe eine Höchstgeschwindigkeit von 120 mph (193 km/h) ermöglichen sollte, wofür die Zahl in der Modellbezeichnung steht. Diese Berechnung übertraf man schließlich bei Testfahrten in Belgien im Mai 1949. Auf einer gesperrten Autobahn erreichte der zweite jemals gebaute XK120 126,488 mph (203,498 km/h). Anschließend entfernte man Windschutzscheibe, Dach und Seitenscheiben, montierte ein Tonneau-Cover und einen kleinen Winddeflektor vor dem Fahrer und ging erneut auf die Strecke. Diese geringen Veränderungen ermöglichten eine Höchstgeschwindigkeit von 132,596 mph (213,393 km/h). In den Folgejahren gab es diverse Langstreckenrekorde und unzählbare Rennteilnahmen des XK120.
Interessanterweise war der XK120 im ursprünglichen Programm der neuen Marke Jaguar gar nicht vorgesehen. Stattdessen wollte man eine sportliche und luxuriöse Limousine auf der London Motor Show 1948 vorstellen. Mangels einer eigenen Pressabteilung hatte man sich für die Fertigung der Rohkarosserien allerdings mit Pressed Steel zusammengetan, wo die Vorarbeiten an diesem Projekt länger dauerten als gedacht. So stand man mit dem fertig entwickelten Antriebsstrang, aber ohne Außenhülle da und entschied kurzfristig, einen rassigen zweisitzigen Roadster als Showcar auf die Räder zu stellen. Noch während der Messe entschied man aufgrund der großen Beliebtheit eine Kleinserie von 240 Fahrzeugen mit einer auf ein Eschenholzgerippe aufgenagelten Aluminiumkarosserie anzubieten. Schnell wurde jedoch allen Beteiligten klar, dass diese Stückzahl nicht ausreichen würde und daher eine kostengünstigere Produktionsmethode mit verschweißten Stahlkomponenten nötig wäre. Diese begann ab April 1950 bei Pressed Steel, wo bereits die oben erwähnte Limousine als Mark VII entstand. Frühe Aluminiummodelle des XK120 sind heute unter Autosammlern sehr gesucht.
Ab 1951 bot Jaguar neben dem zweisitzigen Roadster auch den FHC (Fixed Head Coupé) an. Durch das feste Dach und die geschickt gewählte Dachlinienführung waren 194 km/h Höchstgeschwindigkeit möglich. Parallel zu Roadster und FHC mit dem bekannten Triebwerk gab es nun auch den XK120 SE (Special Equipment) mit einer Leistungssteigerung auf rund 180 PS, Doppelrohrauspuff, Sportfedern und Speichenrädern. Als finale Variante folgte 1953 der XK120 DHC (Drop Head Coupé) als luxuriöser ausgestattetes Cabriolet mit gefüttertem Verdeck. Obwohl bereits der XK120 Roadster durchaus erfolgreich im Motorsport unterwegs war, entwickelte Jaguar diese Basis deutlich weiter und erschuf den C-Type, der ab 1951 bei Sportwagenrennen in aller Welt um Erfolge fuhr. 1954 erfolgte die Premiere des Nachfolgemodells XK140, dessen Design eine Evolution des XK120 darstellte. Final folgte 1957 der XK150, bei dem die Kotflügel jedoch deutlich an Schwung verloren hatten und mittels optionalem Automatikgetriebe deutlich wurde, dass viele Kunden eher einen Cruiser als einen Sportwagen haben wollten.
Bilder: © by Bill Pack