BMW 1600 GT
Es kommt selten vor, dass man bei der Betrachtung eines BMW-Klassikers zuerst eine andere Marke betrachten muss. Eigentlich ist man es gewohnt, dass die Münchener ihre Modelle eigenständig entwickeln und allenfalls Alpina miteinbeziehen. Der 1600 GT ist jedoch einer dieser seltenen Sonderfälle in der Markengeschichte. Er begann seine kurze Produktionslaufzeit als Glas 1300 GT, wurde noch zum Glas 1700 GT weiterentwickelt und durfte dann noch zwei Jahre mit BMW-Nierengrill vom Band laufen. Die Marke Glas ist heute beinahe in Vergessenheit geraten. Selbst den knuffigen Kleinwagen, das Goggomobil, mit dem die Autoproduktion in Dingolfing begonnen hatte, vermuten viele als eigenständiges Fahrzeug. Firmenchef Andreas Glas hatte die 1883 gegründete Landmaschinenfabrik seiner Familie nach dem Zweiten Weltkrieg übernommen und neu auf Motorroller ausgerichtet. Damit reagierte er auf den hohen Mobilitätsbedarf in Deutschland.
Vom Goggo-Roller zum Sportcoupé
Nachdem aus dem Goggo-Roller das vierrädrige Goggomobil geworden war, wagte sich die Hans Glas GmbH auch an vollwertige Automobile. Der steigende Wohlstand durch das Wirtschaftswunder sorgte dafür, dass die kleinen Rollermobile immer weniger Absatz fanden. Daher erschien 1958 das „große Goggomobil“, der Glas Isar mit einem 600 Kubikzentimeter großen Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor und 30 PS. Drei Jahre später erschien mit dem 1004 ein kompaktes Coupé mit neu entwickeltem Vierzylindermotor. Es folgten auf gleicher Basis die zweitürige Limousine 1204 und der 1304 sowie Kombilimousinen- und Cabrio-Varianten. 1963 debütierte der 1300 GT als Sportcoupé auf der IAA in Frankfurt. Es wurde ebenso wie die Limousine 1700 bei Frua in italien gestaltet. Eigentlich hätte das Grunddesign an Borgward gehen sollen, um dort den Nachfolger des Hansa 1100 einzukleiden. Nach der Insolvenz der Bremer Marke war Frua froh, einen anderen Abnehmer zu finden.
Ohne Renommee, aber mit 100 PS
Für die Preisregionen, in denen sich Glas nun tummeln wollte, fehlte das nötige Renommee. Die Mitbewerber in der Coupé-Klasse waren seit vielen Jahren am Markt und den Kunden bestens bekannt, während die kleine Marke aus Dingolfing damals vielen noch vom Goggomobil im Gedächtnis geblieben war. Entsprechend schleppend lief die Markteinführung des 1300 GT ab März 1964 an. Die Rohkarosserien kamen von Maggiora aus Italien und wurden in Dingolfing zu fertigen Autos zusammengesetzt. Anfänglich sorgte ein 1,3-Liter-Vierzylindermotor mit 55 kW/75 PS für den Vortrieb. Im September 1965 erhöhte man die Leistung auf 62,5 kW/85 PS und führte parallel den 1700 GT mit 74 kW/100 PS ein. Seit Juli 1964 gab es neben dem Coupé auch ein Cabriolet, das in beiden Motorvarianten angeboten wurde. Obwohl Glas mit dem 1700 GT auch den US-Markt in Angriff nahm, blieben die Verkaufszahlen hinter den Erwartungen zurück.
BMW übernahm Glas 1966
Im November 1966 übernahm BMW die Hans Glas GmbH, die sich durch ihre Modellpalette, die inzwischen auch ein V8-Coupé umfasste, in finanzielle Schwierigkeiten manövriert hatte. Ab September 1967 entstand anstelle von Glas 1300 GT und 1700 GT der BMW 1600 GT. Im direkten Vergleich fielen der veränderte Kühlergrill mit BMW-typischer Niere und die runden Rückleuchten vom 02er ins Auge. Unter dem Blech wechselte man zu Triebwerk und Schräglenker-Hinterachse aus dem 1600 TI. Damit standen 77 kW/105 PS bereit. Die Cabriolet-Variante war zwar angedacht, es blieb jedoch bei nur zwei Prototypen. Insgesamt entstanden von 1300 GT, 1700 GT und 1600 GT in beiden Karosserievarianten bis Ende 1968 lediglich 6.827 Exemplare. Ein Coupé aus dem finalen Produktionsjahr steht aktuell beim Online-Auktionshaus Collecting Cars zur Versteigerung. Nach deutscher Erstauslieferung und einer Auffrischung in den Niederlanden 2019 ist dieses Auto inzwischen in den USA zu Hause.
Bilder: Collecting Cars, Mohr Imports