Bugatti – Beginn der Schlumpf Collection
Unter Autofans genießt das Cité de l’Automobile im elsässischen Mulhouse weltweite Bedeutung. Als Beinamen verweist dieses Automuseum auf die Gründer: Collection Schlumpf. Doch wie kam es zu dieser riesigen Oldtimersammlung? Lassen Sie uns gemeinsam auf Entdeckungsreise gehen. Diese beginnt bereits im Jahr 1928, als Fritz Schlumpf im Alter von 22 Jahren seinen ersten Bugatti erwarb. Da er das Fahrzeug regelmäßig motorsportlich bewegt, benötigt er Ersatzteile und kommt dadurch in engeren Kontakt mit der Marke, den er bis zum Zweiten Weltkrieg aufrecht erhält. Seine Vorliebe für Produkte aus Molsheim ist geweckt. Im Alltag arbeitete Fritz Schlumpf in einem eigenen Unternehmen als Makler für Wolle, in das 1929 sein zwei Jahre älterer Bruder Hans mit einstieg. Gemeinsam gründeten sie 1935 die SAIL (Société Anonyme pour l’Industrie Lainière) als mit Wolle handelnde Aktiengesellschaft. Nach Kriegsende kauften sie immer mehr Wollfabriken und Spinnereien im Elsass auf, bis die SAIL quasi ein Monopol im Osten Frankreichs hielt. Unter diesen erworbenen Fabriken war 1957 auch eine stillgelegte Wollmanufaktur in Mulhouse, die sie zur Errichtung eines eigenen Automuseums nutzen wollten. In der Zwischenzeit hatten beide Brüder nämlich bereits mit dem Kauf von Vorkriegsoldtimern begonnen.
Diese Kauflust vervielfachten die Schlumpf-Brüder ab Anfang der 1960er Jahre. Fritz Schlumpf schrieb zahlreiche Besitzer von Bugattis an, deren Adressen er aus einem Register von Hugh Conway vom britischen Bugatti Owners Club erhielt. Unter diesen angeschriebenen Autobesitzern war auch der US-Amerikaner John W. Shakespeare aus Hoffman/Illinois, in dessen Privatsammlung sich zu diesem Zeitpunkt vier Typ 55, ein Typ 56, zwölf Typ 57, ein Typ 41 Royale sowie rund 22 weitere Bugatti unterschiedlicher Modellreihen befanden. Damit besaß er zu jenem Zeitpunkt vermutlich die größte Bugatti-Sammlung weltweit. Besessen, wie Fritz Schlumpf war, bot er John Shakespeare pauschal 70.000 US$ für dessen gesamten Wagenpark an, um diesen seiner eigenen Sammlung im Elsass hinzuzufügen. Shakespeare hingegen verlangte im Gegenzug mindestens 105.000 US$. Dieser hohe Preis erlaubte es den Schlumpf-Brüdern, eine unabhängige Überprüfung der Fahrzeuge durch den Bugatti-Experten Bob Shaw aus Illinois vornehmen zu lassen. Der kam jedoch zum wenig schmeichelhaften Ergebnis: „Die meisten Autos befinden sich in einem Teil des Gebäudes mit einem schmutzigen Boden, zerbrochenen Fenstern, undichtem Dach und nistenden Vögeln. Jedes Auto ist in irgendeinem Zustand der Demontage und seit mindestens 18 Monaten ist keines von ihnen gelaufen“, und rät dringend vom Kauf ab.


















Schlumpf hingegen bot nun 80.000 US$ an. Es folgte eine Phase von zähen Verhandlungen, Drohungen zwischen beiden Parteien und sogar versuchter Erpressung, doch schließlich kam man rund ein Jahr später bei einem Preis von 85.000 US$ inklusive Transportkosten nach Frankreich zu einem Kaufvertrag. Was nach wenig Geld klingt, wären mit berücksichtigter Inflation heute rund 720.000 US$ und damit immer noch eine relativ geringe Summe für 30 Bugatti. Damals handelte es sich jedoch aus der Sicht vieler Experten um reine Gebrauchtwagen in nicht fahrbereitem Zustand. Am 30. März 1964 verlud man die gesamte Flotte Bugattis auf einen Autozug der Southern Railway Bahngesellschaft mit Ziel New Orleans. Es handelte sich tatsächlich um einen offenen Zug, wie diverse historische Fotos in unserer Bildergalerie beweisen. Von den Waggons aus ging es auf einem niederländischen Frachtschiff weiter, das einige Wochen später den Hafen von Le Havre in Frankreich erreichte. Dort nahm Fritz Schlumpf die Autos in Empfang und überführte sie in sein geplantes Museum.
Obwohl die Brüder Schlumpf ihre Sammlung 1965 in einer kleinen Pressemeldung ankündigten, die Hallen der Fabrik umfangreich umbauen ließen und viele Fahrzeuge bereits aufwändig restauriert worden waren, wurde das geplante Museum nie eröffnet. Zwar sammelten beide noch weitere seltene Autos ein und wurden selbst zu denjenigen mit der größten Bugatti-Sammlung aller Zeiten, doch der Niedergang der französischen Textilindustrie in Kombination mit ihren teils unbeliebten Geschäftspraktiken führte in den 1970er Jahren zu immer mehr Streiks. Schließlich bleibt den Brüdern nicht viel mehr übrig, als in die Schweiz zu flüchten. Ihre Autosammlung ließen sie im Elsass zurück, wo sie von den wütenden Arbeitern auf der Suche nach ihnen und Wertgegenständen 1977 gefunden wurden. Glücklicherweise erkannten sie den historischen Gegenwert dieser Autos und bewahrten sie vor Beschädigungen. Insgesamt fanden die Arbeiter mehr als 400 Fahrzeuge, von denen über 100 das Markenlogo von Bugatti trugen. Unter ihnen finden sich das Elektroauto Typ 56, zwei von nur sechs gebauten Typ 41 Royale sowie zwei Typ 101 aus der kurzen Nachkriegsepisode der Marke. Eigentlich hätten alle Autos verkauft werden sollen, um die Ansprüche von Gläubigern und Arbeitern zu befriedigen. Letztlich tat sich jedoch ein Konsortium, bestehend aus der Stadt Mulhouse, dem Rat des Départements Haut-Rhin, dem Regionalrat Elsass, der Industrie- und Handelskammer Mulhouse, dem Automobilclub de France, dem Komitee des Mondial de l’Automobile sowie des Autoherstellers Panhard & Levassor (heute Teil der PSA Group), zusammen, um die Gesamtsammlung für 44 Millionen Francs zu erwerben und damit zu erhalten. Am 10. Juli 1982 eröffnete schließlich die Cité de l’Automobile – Collection Schlumpf als nationales Automuseum Frankreichs ihre Tore. Auf über 25.000 Quadratmetern sind die allermeisten Exponate der Schlumpf-Sammlung nun zu sehen. Aktuell befinden sich jedoch fünf unrestaurierte Bugatti als Leihgabe im Mullin Automotive Museum in Oxnard/Kalifornien.
Bilder: Bugatti, David Gulick