Bugatti Typ 57 SC Atalante

Auf der London Motor Show 1935 debütierte auf dem Bugatti-Stand ein Fahrzeug, für das die Firma aus Molsheim im Elsass bis heute weltberühmt ist: Der Typ 57 S mit Aerolithe-Karosserie. Dieses spezielle, in den Wirren des Zweiten Weltkriegs verschollene Einzelstück konnte mit seiner außergewöhnlichen Form so sehr überzeugen, dass im Anschluss eine kleine Auflage von drei relativ ähnlich gestalteten Typ 57 S Atlantic folgte. Außerdem beeinflusste dieses Design die Gestaltung der bereits beim normalen Typ 57 erhältlichen Atalante-Karosserie, die mit der Einführung des sportlicheren Typ 57 S modifiziert wurde. Der Typ 57 enstand 1932 unter Leitung von Jean Bugatti rund um den Reihenachtzylindermotor des Typ 49 als reiner Straßensportwagen, während der parallel entwickelte Typ 59 als Rennfahrzeug gedacht war. Der Typ 57 S und der daraus weiterentwickelte Typ 57 SC erhielten veränderte, kürzere Chassis und modifizierte Triebwerke mit mehr Leistung. Beim SC stehen dank Roots-Gebläse 200 PS zur Verfügung.

RM Sotheby’s ist eigentlich für Automobilauktionen weltweit bekannt. Seit einigen Monaten bietet man jedoch auch private Verkäufe über die Internetplattform des Hauses an, was besonders unter hochrangigen Sammlern gern angenommen wird. Sie profitieren von der weiten Reichweite des Auktionshauses und der gleichzeitig gegebenen Anonymität ihrer Person, sofern sie nicht mit dem Wagen oder dem Verkauf in Verbindung gebracht werden wollen. Im Angebot dieser ‚Private Sales‘ findet sich aktuell auch ein Bugatti Typ 57 SC Atalante aus dem Jahr 1937. Dieses spezielle Fahrzeug verfügt nicht nur über die gesuchte Karosserieform, sondern ist zugleich der erste von nur vier gebauten Atalante mit stromlinienförmig in die Kotflügel versenkten Scheinwerfern.

Es handelt sich um das Fahrzeug mit der Chassisnummer 57551, das am 23. Juli 1937 als normaler Typ 57 S mit schwarz lackierter Atalante-Karosserie das Werksgelände in Molsheim, um drei Tage später dem Erstbesitzer Jean Lévy übergeben zu werden. Herr Lévy war stellvertretender Verwalter der Getreidemühle ‚Grands Moulins de Strasbourg‘ und nutzte den Sportwagen bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Nachdem der Bugatti eine Zeit lang auf dem familieneigenen Bauernhof in Dordogne versteckt worden war, überschrieb man ihn dem Tierfuttermanager der Mühle, Maurice Weber, einem engen Freund der Lévy-Familie. Er kümmerte sich darum, dass der Wagen auch im Verlauf des restlichen Krieges weder beschädigt noch requiriert wurde. 1946 erfolgte jedoch ein Verkauf in Paris und schließlich 1947 ein weiterer Besitzerwechsel in die Hände von Pierre Pruvost aus Bezons. 1948 bereits gelangte der Typ 57 S zurück nach Paris und wurde nach einigen Karosseriemodifikationen (möglicherweise bei Figoni & Falaschi) auf dem Concours d’Elegance de Confort et de Technique de la Carrosserie 1949 gezeigt.

Der übernächste Besitzer war ab 1951 der französische Künstler und enge Freund von Pablo Picasso, André Derain. Auch er behielt das Fahrzeug nur ein Jahr lang und verkaufte es nach Nizza, wo es im Besitz von Monique Weyener zu einem Getriebewechsel kam. Vier Besitzerwechsel später verließ der Bugatti Frankreich auf dem Weg in die USA, wo er von 1959 bis 1961 Colin Downe in Boston und anschließend dem berühmten Autosammler und Casino-Magnaten William F. Harrah in Reno/Nevada gehörte. In dieser Zeit erhielt der Wagen eine umfangreiche Restaurierung inklusive technischer Aufrüstung auf die Spezifikationen des Typ 57 SC mittels originalem Kompressor aus alten Werksbeständen. Da der originale Motorblock Beschädigungen aufwies, tauschte man ihn gegen ein passendes Triebwerk aus. Zugleich machte man die 1948/49 in Paris getätigten Karosserieveränderungen ungeschehen und lackierte den Wagen in ‚Patrol Cream‘ und ‚Lemon Oxide‘. Es war das letzte Fahrzeug, mit dem William F. Harrah einen internationalen Concours gewinnen konnte. Bis 1987 blieb es Bestandteil der Sammlung und ging dann an Dr. Herbert W. Boyer in Mill Valley/Kalifornien. Seit 2002 ist der Wagen Teil einer Autosammlung eines Amerikaners, der lieber anonym bleiben möchte. Durch RM Auto Restoration wurde 2013 eine erneute Restaurierung durchgeführt, die den absolut bestmöglichen Concours-Zustand als Ziel hatte und zu einem erneuten Farbwechsel auf Schwarz mit dunkelgrünen Akzenten an der Seite führte. Leider nennt RM Sotheby’s den Preis für diese Rarität mit umfangreich nachweisbarer Historie nur auf ernstgemeinte Nachfrage – er dürfte jedoch vermutlich mindestens sieben Stellen vor dem Komma aufweisen.

Bilder: RM Sotheby’s, Darin Schnabel