Ferrari 340 America

Kennen Sie den Ferrari 340 America? Wenn nicht wird es Zeit. Es ist aber auch nicht verwunderlich. Immerhin entstanden Anfang der 1950er Jahre lediglich 23 Exemplare dieser Baureihe. Ursprünglich sollte dieses Modell speziell Privatkunden als Straßensportwagen ansprechen. Ausschlaggebender Punkt dahinter war der Wunsch des US-Importeurs Luigi Chinetti, die errungenen Rennerfolge mit Ferrari-Fahrzeugen auch in klingende Münze durch verkaufte Straßenwagen umzusetzen. Aus diesem Grund erhielt der 340 erstmalig den Zusatznamen ‚America‘, um auf den angestrebten Markt hinzudeuten.

Großvolumiger Lampredi-V12-Motor

Da in dieser Frühzeit der Marke mit dem ‚Cavallino Rampante‘, dem sich aufbäumenden Pferd im Logo jedoch aufgrund von geringen finanziellen Mitteln und fehlenden Strukturen die Modellwechsel schnell aufeinander folgten, nutzte man für den Motorsport die Fahrzeuge, die gerade verfügbar waren. Die technische Basis dazu bot der 340 allemal. 1951 übernahm Ferrari den von Aurelio Lampredi ursprünglich für den Motorsport entwickelten V12-Motor in die Serienproduktion. Dieser wies mehr Hubraum durch größere Zylinderabstände und größere Bohrungen auf als das V12-Triebwerk von Gioacchino Colombo in den kleineren Modellen. Im 340 waren es zum Beispiel 4,1 Liter, aus denen der Techniker 162 kW/220 PS holte. Damit waren je nach Aufbau bis zu 240 km/h Höchstgeschwindigkeit möglich. Die Kraftübertragung übernahm ein manuelles Viergang-Getriebe.

Klassische Plattform, verschiedene Karosserien

Wie bei allen Modellen nahm Ferrari auch hier stetige Weiterentwicklungen während der Produktion vor. So erhielten späte Exemplare des 340 unter anderem eine Trockensumpfschmierung. Vergleichbar mit anderen Ferrari-Modellen aus der gleichen Ära dient hier ein stabiler Kastenrahmen als Plattform. Während die Vorderräder bereits an doppelten Querlenkern geführt wurden, nutzte man hinten weiterhin eine Starrachse. Andere Hersteller begannen bereits mit der Nutzung von Scheibenbremsen. Ferrari blieb jedoch noch bei den gewohnten Trommelbremsen rundum. Der Radstand betrug 2.420 Millimeter. 1951 und 1952 entstanden insgesamt 23 Fahrzeuge. Da Ferrari zu diesem Zeitpunkt noch keine eigenen Karosserien anfertigte, erfolgte diese Aufgabe bei externen Firmen. Ghia bot Coupé-Karosserien an, Touring Coupés und Barchettas. Daneben gab es noch Vignale, die neben Spider- und Cabriolet-Aufbauten auch fünf Coupés anfertigten.

Fünfter Platz in Le Mans 1952

Eines der letztgebauten Exemplare des Ferrari 340 America trägt die Fahrgestellnummer 0202A. Es erhielt 1952 eine Coupé-Karosserie von Vignale, die von Giovanni Michelotti gezeichnet wurde. In auffälligem Blau und mit der Startnummer 14 auf den Türen, der Motorhaube und dem Heck startete dieser Sportwagen im gleichen Jahr beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans. Mit den Fahrern André Simon und Lucien Vincent am Steuer erreichte man den fünften Platz. Das Auto startete auch bei weiteren Rennen auf dem Circuit Bressuire, dem Circuito di Senigallia und in Montlhéry sowie bei der Carrera Panamericana. Anschließend ging der 340 ins Werk zurück und erhielt im Rahmen einer umfangreichen Aufarbeitung eine neue Lackierung in Rosso Scuro (rot). Mitte 1953 importierte Luigi Chinetti den 340 America in die USA und verkaufte ihn an den Rechtsanwalt Bill Galvin. Noch im gleichen Jahr verkaufte der das Auto weiter an Ernie McAfee, der es an den Rennfahrer Masten Gregory weitergab.

Alte Rennautos hatten wenig Wert

Im dritten Renneinsatz verunfallte Gregory mit dem Wagen und verkaufte ihn unrepariert an George T. Sawyer. Dieser ließ die kaputte Originalkarosserie durch einen Spider-Aufbau im Stil des 340 Mexico ersetzen. Anschließend startete er mit 0202A bei mindestens vier Rennen in den USA. 1958 übernahm Paul Owens aus Texas den Ferrari. Zu dieser Zeit war dieses Auto nichts anderes als ein in die Jahre gekommenes Rennfahrzeug. Über eine mögliche Karriere als Klassiker machte sich damals niemand Gedanken. Somit verwundert es nicht, dass Paul Owens den komplizierten V12 aus- und einen Chevrolet-V8-Motor einbauen ließ. Auf diese Weise erleichterte er sich die Wartungsarbeiten und hielt den Wagen wettbewerbsfähig. Nach einem Unfall ließ er auch die Spyder-Karosserie durch eine bei Devin gekaufte Glasfaserkarosserie ersetzen. Den originalen Ferrari-Motor verkaufte er schließlich nach Chicago, das Auto nach Salt Lake City.

Als Devin gekauft, Ferrari wiederentdeckt

Einige Jahrzehnte lang verschwand Fahrgestellnummer 0202A völlig vom Radar. Für viele Experten stand fest, dass der Wagen nicht mehr existiert. 1990 kaufte schließlich der Drag-Race-Fahrer Mike Sanfilippo den Devin Spider mit unbekannter Bodengruppe für 200 US-Dollar. Eigentlich wollte er das Fahrzeug zu einem neuen Dragster umbauen, überlegte es sich aber anders und ließ den Wagen unberührt. Vom Ferrari-Fahrgestell ahnte er nichts. 2006 stellte er das Konstrukt als Devin beim Online-Auktionshaus eBay ein. Dort entdeckte ihn der Autorestaurator Tom Shaughnessy aus San Clemente in Kalifornien. Für 26.912 US-Dollar erhielt er den Zuschlag und holte den vermeintlichen Devin in seine Halle, um ihn zu restaurieren. Allerdings fand er beim Zerlegen schnell heraus, dass er sich hier ein Goldstück angelacht hatte. Gemeinsam mit den Ferrari-Experten Hilary Raab und Marcel Massini recherchierte er die am Rahmen angebrachte Nummer 0202A und fand damit die Historie dieses Ferrari heraus.

Bei Ferrari Classiche neu aufgebaut

Die umfangreichen Arbeiten, die nötig waren, um aus dem Kastenrahmen wieder einen kompletten Ferrari 340 America zu machen, übertrug Tom Shaughnessy an die Experten von Ferrari Classiche in Maranello. Ob Glück oder Zufall, im Bestand von Shaughnessy befand sich bereits ein passendes V12-Triebwerk, ein Viergang-Getriebe und sogar die passende Pedalerie für den 340. Die ursprüngliche Vignale-Karosserie entstand derweil komplett neu in Handarbeit anhand von alten Bildern und Zeichnungen in Italien. Diese Arbeiten dauerten mehrere Jahre und sind in einem roten Ferrari Classiche Buch in Text und Bild festgehalten.

Auktion in Kissimmee im Januar 2021

Seit 2018 steht der Ferrari 340 America wieder so auf seinen Rädern, wie er 1952 bei den 24 Stunden von Le Mans an den Start ging. Selbst die Startnummer und der dritte, auf dem Dach montierte Scheibenwischer wurden reproduziert. Vom 7. bis 16. Januar 2021 bietet das amerikanische Auktionshaus Mecum den seltenen Rennwagen in Kissimmee an. Dabei dürfte der erhoffte Zuschlagspreis deutlich über dem der eBay-Auktion von 2006 liegen.

Bilder: Mecum Auctions