Ferrari 365 GTC/4

Wenn die Rede unter Sportwagenfans auf Ferrari-Modelle der frühen 1970er Jahre kommt, ist üblicherweise vom ‚Daytona‘ die Rede. Diesen Namen trug das betreffende Modell zwar nur inoffiziell, aber jeder weiß sofort, dass der 365 GTB/4 gemeint ist. Oft vergisst man jedoch das Schwestermodell 365 GTC/4. Mit einem vorn verbauten 4,4-Liter V12-Motor begann die Geschichte der 365er sogar bereits 1966 mit dem für wenige VIP-Kunden, vor allem in den USA, vorgesehenen 365 California Spyder, von dem Ferrari nur 14 Stück baute. Ein Jahr später kam der 365 GT 2+2 auf den Markt, der aufgrund seiner riesigen Abmessungen den Kosenamen ‚Queen Mary‘ erhielt, sowie Ende 1967 auch der sportliche 365 GTC, der optisch viel vom 330 GTC übernahm. 1969 folgte der besagte 365 GTB/4 mit dem durch einen legendären Rennsieg ausgelösten Spitznamen ‚Daytona‘ als Nachfolger des noch relativ jungen 275 GTB/4 und schließlich 1971 der 365 GTC/4 als neuer 2+2-Sitzer.

Als technische Basis nutzte der GTC/4 das Fahrgestell vom GTB/4, das widerum in den Grundzügen vom 275 GTB/4 übernommen wurde. Knapp hinter der Vorderachse saß dabei der von Gioacchino Colombo V12 mit 4,4 Litern Hubraum und vier obenliegenden Nockenwellen. Für den Einsatz im eher komfortabel abgestimmten GTC/4 erhielt das Triebwerk sechs Doppel-Flachstromvergaser von Weber an veränderten Zylinderköpfen anstelle der Fallstromvergaser im ‚Daytona‘ und eine Nasssumpfschmierung. Auf diese Weise ließ sich eine flachere Motorhaube realisieren, was sich in der gefälligen Linienführung von Pininfarina niederschlug. Abgesehen von den Fahrzeugen für den US-Markt, die durch eine andere Abstimmung 320 PS leisteten, standen im 365 GTC/4 in allen anderen Ländern 340 PS bereit, die über ein Fünfgang-Getriebe auf die Straße gelangten. Ferrari nannte im Datenblatt eine Beschleunigungszeit aus dem Stand auf Tempo 100 in 6,7 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 260 km/h. Einzelradaufhängungen an doppelten Dreiecksquerlenkern, Schraubenfedern und Teleskopstoßdämpfern nebst hydraulischer Niveauregulierung an der Hinterachse sowie Scheibenbremsen rundum rundeten das Technikpaket ab.

Für die Karosseriegestaltung des neuen Modells wandte sich Ferrari wie so oft an Pininfarina. Dort zeichnete Filippo Sapino für ein wunderschönes Fließheck-Coupé verantwortlich, dem er sehr dünne Dachsäulen spendierte, auf denen das kleine Dach förmlich schwebt. Durch die untere Linie der Seitenscheiben erhielt der 365 GTC/4 in Italien den Spitznamen ‚il Gobbone‘ (der Bucklige) und in anderen Ländern die Bezeichnung ‚Banane‘. Am Ende der Kofferraumklappe, oberhalb der vier runden Rückleuchten, integrierte Sapino eine Abrisskante, wie sie von Wunibald Kamm propagiert wurde. Gleichzeitig war der GTC/4 das erste Ferrari-Modell, das von Anfang an Klappscheinwerfer erhielt, während diese beim 365 GTB/4 erst mit einer Modellpflege eingeführt wurden. Knapp darunter befindet sich eine breite Gummistoßstange, die den Kühlergrill und die Zusatzleuchten nebst Blinker einfasst. Pininfarina übernahm schließlich auch die Produktion der Rohkarosserien für Ferrari, während der GTB/4 bei Scaglietti entstand.

Im Gegensatz zu vielen anderen Modellen aus Maranello erhielt der 365 GTC/4 innen einen Lederschaltsack anstelle der legendären offenen Metallschaltkulisse. Ledersitzbezüge kosteten hingegen Aufpreis. Dafür gehörten eine Servolenkung und eine Klimaanlage zur Serienausstattung, was speziell auf dem damals angestrebten US-Markt wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde. Obwohl es einige Kundenanfragen gab entwickelte Ferrari ab Werk keine Cabrio-Version des GTC/4. Dies übernahmen jedoch einige externe Karosseriebaufirmen. Ebenso baute Felber aus der Schweiz auf Basis eines 365 GTC/4 einen Shooting Brake nach Designskizzen von Giovanni Michelotti sowie einen Buggy namens Beach Car. Ferrari beendete die Produktion relativ zeitgleich mit der des 365 GTB/4 im Jahr 1973 und stellte in diesem Zeitraum lediglich rund 505 Exemplare auf die Räder. Trotz seiner Seltenheit ist der GTC/4 immer noch um rund die Hälfte günstiger als der ‚Daytona‘ – was jedoch immer noch rund 300.000 bis 400.000 € in gutem Zustand entspricht.

RM Sotheby’s bietet das weiße Exemplar aus unserer Bildergalerie vom 3. bis 11. Juni in einer Online-Auktion an, die anstelle der Live-Auktion auf der Techno Classica in Essen stattfindet. Das Fahrzeug ging 1971 in die USA, wo es bis in die 90er Jahre blieb. Anschließend erlebte es eine kurze Ära als Rennfahrzeug in Australien und daraufhin eine Komplettrestaurierung bei Joe Macari in London, in deren Zuge die US-Seitenmarkierungsleuchten entfernt wurden. Zudem erhielt er seine Originalfarbe ‚Avorio Le Tetrarch‘ (weiß) sowie innen schwarzes Leder mit rotgefärbten Wolleinsätzen und kontrastierende Teppiche zurück. Durch eine Ferrari Classiche Zertifizierung erhielt der Besitzer auch die Bestätigung, dass immer noch der originale V12-Motor im Fahrzeug sitzt. Ebenso gehören alle originalen Bordbücher nebst der Restaurierungsdokumentation zum Auto. Das kanadische Auktionshaus erwartet einen Zuschlagspreis zwischen 250.000 und 300.000 €.

Bilder: RM Sotheby’s, Dirk de Jager