Fiat 8V Coupé Zagato
Wenn man an Sportwagen mit V8-Motoren denkt, kommt man nicht unbedingt auf die Marke Fiat. Indirekt, über die Tochterfirmen Maserati und Ferrari, vielleicht schon, aber direkt im eigenen Modellprogramm? Doch, gab es. Allerdings nur kurz zwischen 1952 und 1954. Ursprünglich plante man eine neue Oberklasselimousine oberhalb des ebenfalls 1952 eingeführten Fiat 1900 (Tipo 105), für den die Chefetage ursprünglich einen Sechszylinder-Motor wünschte. Dante Giacosa, damals Leiter der Fahrzeug-Entwicklungsabteilung, hielt dieses Motorenkonzept allerdings für zu schwer auszubalancieren und favorisierte einen V8. Im Laufe der Entwicklungsarbeiten verwarf er zuerst einen Reihen-Sechszylinder und einen V6 sowie einen V8 mit 90° Bankwinkel. Am Ende landete er bei einem Achtzylinder mit einem V-Winkel von 70°. Auch dieser war anfangs nicht optimal ausbalanciert und musste aufwändig weiterentwickelt werden, versprach aber auf kompaktem Bauraum reichlich Leistung. Auf Wunsch der Verkaufsabteilung wurde ein Motor zu Testzwecken in einem verlängerten Fahrgestell vom Fiat 1400 montiert und das Ganze von Pininfarina mit einer neuen Limousinen-Karosserie versehen. Dieser Tipo 104 geriet jedoch zu groß und zu schwer für den Antrieb und wurde daher umgehend verworfen.
Doch der V8-Motor war zu vielversprechend, um ihn ebenfalls ungenutzt ins Depot zu legen. So schlug Dante Giacosa einen Sportwagen als Prestigefahrzeug vor, von dem möglicherweise anschließend eine neue Limousine abgeleitet werden könnte. Siata wurde mit der Chassis-Entwicklung betraut, wobei bewusst darauf geachtet wurde, dass neben der werkseigenen Karosserie auch externe Aufbauten angepasst werden konnten. Auf dem Genfer Salon 1952 feierte der Tipo 106 schließlich als Fiat 8V (Otto Vu) seine Weltpremiere. Ob der Name wirklich entstand, weil leitende Fiat-Mitarbeiter befürchteten, dass die Bezeichnung ‚V8‘ in den USA geschützt sein könnte, ist heute nicht mehr sicher festzustellen. Gefertigt wurden die Chassis, der Motor und die Werkskarosserien schließlich überwiegend in der Entwicklungsabteilung, was natürlich deutlich teurer war als die industrielle Großserienfertigung der anderen Fiat-Modelle. Da auch die Entwicklung der geplanten Limousine zugunsten des 1900 als Topmodell eingestellt wurde, verwundert es nicht, dass 1954 aus ökonomischen Gründen das Sportwagenprojekt ein Ende fand. Vom Triebwerk gab es in diesen drei Produktionsjahren die drei Ausbaustufen Tipo 104000 (105 PS), 104003 (115 PS) und 104004 (127 PS).
Von den insgesamt 114 gebauten Fiat 8V erhielten die allermeisten eine Coupé-Karosserie. Neben der direkt ab Werk angebotenen Version, die von Fabio Luigi Rapi und Dante Giacosa gemeinsam entwickelt worden war, gab es zwei verschiedene Coupé-Designs von Ghia (ein Unikat von Mario Boano und der unglaublich schöne Supersonic von Giovanni Savonuzzi), ein Coupé-Einzelstück von Pininfarina, acht von Giovanni Michelotti gezeichnete und bei Vignale gebaute Fahrzeuge sowie 32 Fahrgestelle, die bei Zagato eingekleidet wurden. Während fünf Coupés mit Fiat-Werksaufbau von Zagato lediglich überarbeitet wurden, erschien parallel dazu bereits 1952 auf Wunsch des Mailänder Fiat-Händlers Ovidio Capelli ein eigenständiger Coupé-Entwurf mit Leichtbaukarosserie, bei der der Kunde in der Kleinserienfertigung ab 1954 zwischen einem flachen Dach und dem charakteristischen Double-Bubble-Dach des Karosseriebauers wählen konnte. Diese Zagato Coupés entstanden auf Basis von eingelagerten Fahrgestellen bis 1959.
Ein solcher Wagen kommt nun im Rahmen des Concorso d’Eleganza an der Villa d’Este an der benachbarten Villa Erba bei RM Sotheby’s unter den Hammer. Entstanden ist Chassisnummer 106000076 im Jahr 1955. Ursprünglich erhielt das Fahrzeug eine smaragdgrüne Lackierung und wurde an eine Turiner Adresse erstausgeliefert. Namentlich war es die ‚Societa Nazionale Olii Minerali‘, also die nationale Mineralölgesellschaft Italiens, die diesen Sportwagen kaufte. Im Laufe der Jahre folgten diverse italienische Besitzer zwischen Rom und Padua. In den 1970er Jahren nahm er an zahlreichen Klassikerrennen teil und ab den 1980ern insgesamt achtmal an der Mille Miglia Storico. Der aktuelle Besitzer ließ das Fahrzeug umfangreich restaurieren und fand auch den originalen Motor wieder, der in den zurückliegenden Jahrzehnten irgendwann ausgetauscht worden war. Nun erwartet RM Sotheby’s einen Zuschlagspreis zwischen 1.600.000 und 1.800.000 Euro für diesen wunderschönen Italiener.
Bilder: RM Sotheby’s, Paolo Carlini