Ford Sierra RS Cosworth
Straßenfahrzeuge mit wilden Spoilern und Flügeln sind häufig Homologationsautos für den Motorsport. So verhält es sich auch beim Ford Sierra RS Cosworth. Mit der fünftürigen Mittelklasselimousine, die Uwe Bahnsen Ende der 1970er Jahre gezeichnet hatte, hatte diese Variante nicht mehr viel zu tun. Nach der Weltpremiere des Sierra auf dem Pariser Autosalon 1982 folgte im Dezember des gleichen Jahres der Kombi namens Turnier (in einigen Märkten Traveller). Auf dem Genfer Autosalon 1983 folgte der dreitürige XR4i mit außergewöhnlicher Zweiteilung der hinteren Seitenscheiben. Damit und durch seine 150 PS starke Motorisierung unterschied er sich vom normalen Sierra Dreitürer (teils als Coupé vermarktet), der im Herbst 1983 erschien. Im März 1985 zeigte Ford auf dem Genfer Autosalon ein Facelift mit größeren Scheinwerfern und geschlossener Front. Zum Jahresbeginn 1987 folgte ein weiteres Facelift. Nun saßen die vorderen Blinker neben den Scheinwerfern. Zudem führte man eine viertürige Limousine ein.
RS Cosworth als sportliches Topmodell
Nach einem finalen Facelift im Jahr 1990 endete 1993 die Sierra-Produktion zugunsten des Mondeo. In den zwölf Fertigungsjahren waren mehr als 2,7 Millionen Exemplare entstanden. Besonders begehrt sind heutzutage die sportlicheren Ableger der Modellreihe. Zu nennen wären also der bereits erwähnte XR4i, der XR4x4 und schließlich der 1985 präsentierte RS Cosworth. Ford nutzte anfänglich den XR4i für Rallyes und Tourenwagenrennen. Um konkurrenzfähiger zu sein, entstand gemeinsam mit dem englischen Motorenexperten Cosworth ein Vierzylinderturbomotor. Aus zwei Litern Hubraum, dem Maximum für diverse Motorsportkategorien von der Gruppe-A-Rallyemeisterschaft bis zu Tourenwagen, holte man im Straßentrim 150 kW/204 PS und 270 Newtonmeter Drehmoment. In Kombination mit einem manuellen Fünfgang-Getriebe ging es in sieben Sekunden auf Tempo 100 und weiter bis auf 238 km/h Höchstgeschwindigkeit. Das Leergewicht betrug 1.280 Kilogramm.
Gewaltiger Heckflügel
Wirklich wild wurde es bei der Optik. In die Frontstoßstange integrierte Ford einen Lufteinlass, der beinahe doppelt so groß wie der zwischen den Scheinwerfern ausfiel. Zwei Luftauslässe in der Motorhaube halfen dem Motorraum beim Wärmehaushalt. An den Kotflügeln fanden sich Verbreiterungen, um größere Räder unterzubringen. Diese gingen in passend gestaltete Schwellerverkleidungen über. Doch der wahre Quell jeglicher Diskussionen über diese Modellvariante thronte auf der Kofferraumklappe. Auf halber Höhe der Heckscheibe setzten die Aerodynamiker einen Heckflügel an, der sich mit einer zentralen Stütze unterhalb der Scheibe abstützte und die Klappe um ein gutes Stück überragte. Innen befanden sich hinter dem dreispeichigen Lederlenkrad ein Tacho mit Skala bis 260 km/h und ein Drehzahlmesser bis 7.000 U/min. Eine kleine Anzeige gab zudem Auskunft über den Ladedruck. Über dem Handschuhfach sitzt das RS-Logo. Die Recaro-Sportsitze vorn und die zweigeteilte Rückbank erhielten spezielle Stoffbezöge in grau und rot.
Versteigerung durch Artcurial
Als sich der Sierra RS Cosworth bereits in der Entwicklung befand, befragte Walter Hayes, damals Vizepräsident der PR-Abteilung von Ford Europe, die Händler. Er wollte wissen, wieviele Exemplare der neuen Variante wohl zu verkaufen wären. Für die Homologation in der Gruppe A waren 5.000 Stück erforderlich. Durch die Befragung kam er aber auf lediglich 1.500 Vorbestellungen. Als die Händler erste Prototypen testen konnten, stieg die Nachfrage ein wenig. Dennoch musste Ford den Preis senken und die Optionsliste zusammenstreichen. Es gab nur drei Außenfarben und ein Extrapaket, bestehend aus Zentralverriegelung und elektrischen Fensterhebern. Letzteres besitzt der Ford Sierra RS Cosworth, den Artcurial am 19. März im Rahmen der Retromobile in Paris versteigert. Das Auto kommt aus zweiter Hand und hat glaubhafte 15.920 Kilometer Laufleistung. Zwar zeigt der Kilometerzähler eh nur fünf Stellen an, aber die Vorgeschichte des Autos liegt vor. Als Schätzpreis stehen 40.000 bis 60.000 € ohne Mindestgebot im Auktionskatalog.
Weltweite Motorsporterfolge
Insgesamt entstanden 5.545 Exemplare des Sierra RS Cosworth. 500 rechtsgelenkte Fahrzeuge schickte Ford zum Tuningbetrieb Tickford, wo daraus der RS500 entstand. Diese Weiterentwicklung mit mehr Leistung und Zusatzspoiler unter dem Heckflügel half dabei, den Wagen im Tourenwagensport konkurrenzfähig zu halten. Sowohl in der Touring Car World Championship, als auch in der Europameisterschaft und der DTM fuhr Ford von Sieg zu Sieg. Hinzu kam ein Erfolg beim 24-Stunden-Rennen in Spa-Francorchamps 1989 und der Gewinn der British Touring Car Championship 1990. Bereits 1988 und 1989 konnte Ford auch die Tourenwagenmeisterschaften in Australien und Japan gewinnen. Im Rallyesport lag man jedoch hinter den Konkurrenten mit Allradantrieb zurück. Lediglich ein Sieg bei der Tour de Corse 1988 steht hier in der Erfolgsliste des Sierra RS Cosworth. Ab 1988 baute Ford eine Neuauflage des Modells, nun auf Basis der viertürigen Limousine. Mit Hinterradantrieb entstanden rund 13.000 Stück, mit Allrad nochmals 12.200.
Bilder: Artcurial, Peter Singhof