Pegaso – Die vergessene Sportwagenmarke

Kennen Sie die Namen Wifredo Pelayo Ricart Medina und Juan Antonio Suanzes Fernández? Höchstwahrscheinlich nicht. Ebenso dürften Ettore Pagani und Aldo Pagani ihnen unbekannt sein, auch wenn der Nachname heutzutage auf einem italienischen Supersportwagen prangt. Mit dessen Entwickler und Designer Horacio Pagani sind die beiden genannten Personen jedoch nicht näher verwandt. Stattdessen werkelten sie als Ingenieure an einem aus heutiger Sicht ungewöhnlichen Projekt in Spanien in der Zeit des Franco-Regimes. Um soweit zu kommen, müssen wir die Zeit jedoch noch ein wenig weiter zurückdrehen, nämlich ins Jahr 1904, als in Barcelona unter Leitung des Schweizer Konstrukteurs Marc Birkigt die Luxusautomarke Hispano-Suiza begründet wurde. Bis zum Spanischen Bürgerkrieg 1936 produzierte man hochwertige Limousinen und sportliche Reisefahrzeuge, stellte dann jedoch per Befehl auf Kriegswaren um. Zwei Jahre später endete die Fertigung im Zweigwerk in Paris, das man sich zwischenzeitlich aufgebaut hatte, durch den ausbrechenden Zweiten Weltkrieg. In Barcelona ging es noch ein wenig weiter, wobei hier hauptsächlich Flugmotoren und Kanonen entstanden.

Nachdem Marc Birkigt 1938 seine eigene Firma verlassen hatte, um im heimischen Genf eine gleichnamige Fabrik für Kanonen, Mopeds und andere Entwicklungen zu eröffnen, gründete die originale Marke Hispano-Suiza 1940 gemeinsam mit einigen spanischen Firmen und der Banco Urquijo die neue Autofirma S.I.A.T. (Sociedad Ibérica de Automóviles de Turismo), die später zu Seat wurde. Fünf Jahre später verstaatlichte die Franco-Regierung das Automobilwerk und benannte es 1946 in ENASA (Empresa Nacional de Autocamiones S.A.) um. Chefkonstrukteur wurde Wifredo Ricart, der zuvor an der Ingenieursschule in Barcelona studiert und 1926 bereits ein erstes eigenes Auto auf dem Pariser Autosalon präsentiert hatte. Es folgte eine Kleinserie des Ricart-España und schließlich eine Tätigkeit als leitender Ingenieur bei Alfa Romeo, wo er unter anderem mit Enzo Ferrari zusammenarbeitete, sich mit diesem jedoch laut einigen Quellen nicht besonders gut verstand. Es wird sogar davon ausgegangen, dass Ferrari Alfa Romeo wegen Ricart verließ. Unter dem Markennamen Pegaso entstanden diverse Nutzfahrzeuge für den spanischen Markt, da durch Strafzölle kaum ausländische Produkte erhältlich waren.

Allerdings konnten die neu entwickelten Lastwagen und Transporter international nicht bestehen. Daher suchte man bei ENASA nach Möglichkeiten, den Ruf der Firma zu verbessern und kam schließlich darauf, hochwertige Sportwagen zu entwickeln, um gegen etablierte Konkurrenz anzutreten. Gemeinsam mit den Gebrüdern Pagani, Juan Antonio Suanzes Fernández (Direktor der INI und damals spanischer Industrieminister) sowie einem Ingenieursstab, von dem heute fast nur noch die Nachnamen Benetti, Fava, Zoppi, Bindoni, Curtani, Biolino, Tordella, Moro, Marcenaro, Picciolato, Bascuniana, Baguena und Valls bekannt sind, machte sich Wifredo Ricart daran, ein einzigartiges Automobil auf die Räder zu stellen. Gemeinsam entstand ein Chassis aus teilweise gelochten Aluminium-Profilen und tragenden Radhäusern, das vorne einen neu entwickelten V8-Motor mit zwei obenliegenden Nockenwellen inklusive Zahnradantrieb, desmodromischer Ventilsteuerung ohne Ventilfedern und 2,5 Litern Hubraum aufnahm. Dazu gab es eine De-Dion-Hinterachse, einzeln aufgehängte Vorderräder und ein manuelles Fünfgang-Getriebe mit angeflanschtem Sperrdifferenzial an der Hinterachse. Anfänglich erfolgte die Karosseriegestaltung durch den Karosseriebaubetrieb der ENASA, die sich jedoch besser auf Nutzfahrzeuge verstand und daher zu schweren Edelstahl-Konstruktionen neigte. Nach der Weltpremiere des Pegaso Z-102 auf dem Pariser Autosalon 1951 erfolgte daher die Entscheidung, künftig externe Karosseriebauer zu beauftragen und dabei auf Aluminium als Werkstoff Wert zu legen. Zuvor entstand mit dem Z-102 Cúpula noch ein einmaliges Konzeptfahrzeug für den Pariser Salon 1952, wo auch erste Exemplare mit Gestaltungen von Saoutchik und Touring debütierten.

Um die sportlichen Fähigkeiten des Z-102 unter Beweis zu stellen, nahm Pegaso sowohl in der spanischen Heimat als auch international an Rennen teil. So nannte man ein Fahrzeug für den Großen Preis von Monaco 1952, fiel jedoch bereits im Training mit Bremsdefekt aus. Bei den 24 Stunden von Le Mans 1953 verunfallte der Rennwagen im Training und konnte nicht mehr rechtzeitig repariert werden. Im Jahr darauf lief ein weiterer Pegaso bei der Carrera Panamericana mit guten Erfolgsaussichten mit, fiel jedoch ebenfalls durch einen Unfall aus. Besser lief es da für Celso Fernández, der am 25.09.1953 mit einem Pegaso Z-102 in der neueren Ausbaustufe mit 2,8 Liter großem Triebwerk auf einer gesperrten belgischen Autobahn bei Jabbeke vier Geschwindigkeitsweltrekorde unter den offiziellen Augen des RACB (Royal Automobile Club of Belgium) errang und damit den Jaguar XK120 ablöste. Das größere Aggregat erhielt vier doppelte Fallstromvergaser von Weber und konnte optional mit Kompressoraufladung bestellt werden. Dadurch kletterte die Leistung auf bis zu 360 PS, wodurch rund 250 km/h Höchstgeschwindigkeit möglich wurden – mehr als bei zeitgenössischen Ferrari-Modellen. Es folgte eine 3,2-Liter-Variante, wobei heute nicht mehr nachweisbar ist, wieviele Fahrzeuge damit ausgeliefert wurden. Einige Zeit später debütierte der Z-103 als technisch vereinfachte und damit kostengünstigere Variante, die wahlweise mit 3,9, 4,2 oder 4,5 Litern Hubraum erhältlich war. Im Vergleich zum Z-102 waren hier die Motoren mit nur einer Nockenwelle pro Zylinderbank und hängenden Ventilen ausgestattet.

Die hohen Verkaufspreise, resultierend aus der komplizierten Konstruktion, führten letztlich dazu, dass nur wenige Fahrzeuge verkauft werden konnten. Daran änderten auch aufsehenerregende Konzepte wie der weiterentwickelte Z-102 Cúpula oder der von Touring eingekleidete Z-102 Thrill nichts. Selbst der 1956 vorgestellte V8-Motor Z-104 mit 4,7 Litern Hubraum konnte keine Wende mehr herbeiführen. So endete die PKW-Produktion bei Pegaso schließlich 1958 endgültig – auch weil General Franco persönlich kurz darauf die Verschrottung der Fertigungsanlagen befahl. In der Folgezeit konzentrierte man sich umso mehr auf die Nutzfahrzeuge und Lastkraftwagen. Hierfür schloss man 1961 einen Kooperationsvertrag mit der britischen Marke Leyland, um deren Acht-Tonnen-LKW Comet inklusive des 6,5-Liter-Motors mit 125 PS in Lizenz zu fertigen. Bis zum Anschluss von Spanien an die EU im Jahr 1986 blieb dieser Vertrag intakt. Anschließend übernahm Iveco die ENASA-Fertigungsstätten und produziert dort bis heute Lastwagen.

Wieviele Pegaso Sportwagen wirklich entstanden sind, ist nicht wirklich klar. Die Schätzungen reichen von 74 bis zu 125 Exemplaren, wovon wohl nur drei auf den Z-103 entfielen. 1988 fertigte die britische Firma IAD (International Automotive Design) elf Continuation Cars des Z-103 mit moderner Technik unterhalb der vom Serra Spyder inspirierten Karosserie. Eigentlich hätten sogar 60 Fahrzeuge entstehen sollen, was mangels Interesse jedoch nie erreicht wurde. 13 der sportlichen spanischen Klassiker stehen aktuell gemeinsam mit einem Pegaso Comet in einer Sonderausstellung im sehenswerten Autoworld Museum in Brüssel. Noch bis zum 9. Dezember 2018 können diese Fahrzeuge begutachtet werden. Unsere dritte Bildergalerie zeigt ein noch größeres Zusammentreffen dieser spanischen Sportwagen während der Techno Classica 2012 in Essen inklusive eines Rennbootes mit Pegaso-Motor.

Bilder: Matthias Kierse