Ein Porsche für alle Fälle – 904 Carrera GTS

Heutzutage ist Porsche für zahlreiche Rennsiege mit speziell vorbereiteten Prototypen bekannt. Anfang der 1960er Jahre sah das noch ganz anders aus. Neben dem Straßensportwagen 356 gab es zwar den 550 Spyder und den 718 RSK, beide waren jedoch weiterhin aus Metall gefertigt und nur für die kleinen Rennklassen geeignet. Diesen Umstand wollte Porsche jedoch verändern. Die kleine Marke aus Stuttgart Zuffenhausen strebte nach Gesamtsiegen in großen Sportwagenrennen, speziell bei den 24 Stunden von Le Mans. Hierfür entstanden ab 1963 diverse neue Fahrzeuge mit Kunststoffkarosserien, beginnend mit dem 904 Carrera GTS. Dieser sollte den 718 ersetzen und wurde zugleich zum letzten Rennsportwagen der Marke mit einem Vierzylindermotor von Ernst Fuhrmann. Um in der GT-Klasse starten zu dürfen, mussten 100 Exemplare gebaut werden. Daher homologierte Porsche das neue Modell auch für den Straßenverkehr und legte Wert auf eine gute Wartungsfreundlichkeit.

100 waren nötig, 116 wurden gebaut

Auf diese Weise konnte das Fahrzeug sowohl an private Rennteams und -fahrer als auch an Sammler verkauft werden. Die Straßenzulassung führte jedoch auch zum Beinamen Carrera GTS. Peugeot hatte sich bereits alle dreistelligen Nummern mit einer Null in der Mitte als Bezeichnung für PKWs gesichert. Somit musste Porsche wie bereits beim 901 auch hier die Modellnummerierung entweder ändern oder eine andere Verkaufsbezeichnung finden.

Aus dem 901 wurde bekanntlich der 911. Beim 904 ging man einen anderen Weg und bezeichnete ihn offiziell überall nur als Carrera GTS. Kunden fanden sich in aller Welt. Dies lag auch am vergleichsweise geringen Verkaufspreis von 29.700 DM. Insgesamt entstanden bis 1965 sogar 116 Exemplare. Das Werksteam selbst setzte letztlich auch Fahrzeuge mit Sechs- oder Achtzylindermotoren ein.

Erster Kunststoff-Porsche

Erstmalig nutzte Porsche bei der Fahrzeugkonstruktion keine Karosserie aus Stahl- oder Aluminiumblechen. Allerdings entschied man sich aus Kostengründen gegen einen Stahlrohrrahmen, wie er bei einigen anderen Sportwagenmarken zum Einsatz kam. Stattdessen diente ein leichter Kastenrahmen aus zwei Längsträgern mit diversen Querverstrebungen als Basis für den Aufbau aus mit Glasfasern verstärktem Polyesterharz. Diesen Werkstoff von BASF brachten die Heinkel-Werke in Speyer in die von Ferdinand Alexander Porsche gestaltete Form. Anschließend gelangten die Karosserieteile nach Zuffenhausen und wurden mit dem Rahmen verschraubt und verklebt. Dies förderte die Torsionssteifigkeit weiter. Den anfänglich zwei Liter große Vierzylindermotor verlagerte man direkt hinter die beiden Insassen, während das Getriebe hinter der Hinterachse saß. Derweil sorgten der 110 Liter große Benzintank, das Reserverad und der Ölkühler für Gewicht auf der Vorderachse.

Inklusive Reserverad und Kofferraum

Ja, richtig gelesen. An Bord des Porsche 904 war tatsächlich ein vollwertiges Reserverad. Dies war zur damaligen Zeit im Reglement für GT-Fahrzeuge zwingend vorgeschrieben. Ebenso gab es im großen, nach hinten öffnenden Heckdeckel einen Kofferraum mit den von der Motorsportbehörde FIA vorgeschriebenen Maßen von 65*40*20 Zentimetern. Um den Schwerpunkt relativ konstant zwischen den Achsen zu halten, waren die Sitzschalen fest mit dem Chassis verbunden. Lenksäule und Pedalerie konnten auf die Größe des jeweiligen Fahrers angepasst werden. Beim Fahrwerk setzte Porsche auf Einzelradaufhängungen und Scheibenbremsen rundum. Bei der Entwicklung nutzte man auch Erfahrungen aus dem 1962 beendeten Formel-1-Programm. Neben Renneinsätzen gab es für den 904 auch einen berühmten Einsatz bei der Rallye Monte Carlo 1965.

Fahrgestellnummer 904012, Vorbesitzer: Robert Redford

Bonhams bietete 2022 einen Porsche 904 Carrera GTS an, der viel Renngeschichte in sich trägt. Es handelt sich um das Fahrzeug mit Fahrgestellnummer 904012, das im Januar 1964 in Silber metallic die Produktion verließ. Damit war es der zweite 904 überhaupt, der an einen Privatkunden ging. Bestellt worden war der 904 durch Steve Earle über Precision Motor Cars in Kalifornien. Bereits wenige Tage nach der Fertigstellung stand der Wagen bereits auf einer Luftfrachtpalette und wurde von Stuttgart aus in die USA geflogen. Es liegen keine Informationen vor, die belegen würden, dass Steve Earle den 904 jemals in einem Rennen gefahren hätte. Stattdessen verkaufte er ihn kurz darauf weiter, als er stattdessen einen Ferrari 250 LM erhielt. Der Porsche gehörte nun Steve Berg und lief unter dem Team von Precision Motor Cars bei acht Rennen der Saison 1964. Für 1965 erhielt er Le-Mans-Bremsen und eine Umlackierung auf Blau mit silberner Nase. Steve Berg setzte das Auto nun unter eigenem Namen ein. Wie bereits 1964 drehte hauptsächlich der TV-Produzent Kurt Neumann aus Hollywood am Steuer von 904012.

Als im Frühjahr 1966 der neue 906 Carrera 6 nahte, verkaufte Mr. Berg seinen 904 an den gefeierten Schauspieler Robert Redford, der ihn für rund ein Jahrzehnt behielt.

Ihm folgten Danny McLaughlin und Jim Tidwell sowie Nelson Rath als Besitzer. 1982 wechselte der Sportwagen zurück über den Atlantik und in die Garage des Belgiers Stefan Talpe. Dieser ließ eine umfangreiche Restaurierung durchführen. Da zu diesem Zeitpunkt bereits seit längerer Zeit kein Triebwerk mehr im Auto installiert war, ließ Herr Talpe einen frühen Zweiliter-Sechszylinder-Boxermotor aus einem 911 einbauen. Bei Apal erfolgte zudem eine Umlackierung in Irischgrün. 2016 ging das Fahrzeug für knapp 7 Jahre nach Dänemark bevor es zur Auktion freigegeben wurde. Bonhams bietete den Porsche zusammen mit einer umfangreichen Dokumentation, zahlreichen Bildern und Rechnungen im Rahmen der „Les Grandes Marques du Monde 2022“ in Paris an. Der 904 Carrera GTS ging für rund 1.4 Millionen Euro über den Auktionstisch.


Bilder: Bonhams, Dennis Noten Photography