Porsche 916 Brutus
Vor 40 Jahren rollte ein neuer Mittelmotorsportwagen auf die Straßen, dessen Entwicklung von Volkswagen beauftragt und von Porsche ausgeführt wurde. Ohne tiefer in die Geschichte einzusteigen (sie wird im Laufe des Jahres Teil eines eigenen Artikels sein), möchten wir das Ergebnis vorweg nehmen: Als VW-Porsche 914 erzielte der Wagen weltweite Verkaufserfolge, während die stärkere Variante des Porsche 914/6 mit dem 110 PS starken Sechszylinder-Boxertriebwerk aus dem 911er eher selten blieb. Dennoch überlegten die Zuffenhausener zeitweise an einer Renn- und Rallyevariante, die schließlich mit leichten Kotflügelverbreiterungen und weiteren Modifikationen als 914/6 GT 32-Mal vom Band lief. Hinzu kamen rund 400 Umbausätze, die von Kunden eigens verbaut werden konnten. Doch das reichte der Motorsportabteilung nicht aus. Man arbeitete zusätzlich an einer leistungsstärkeren Variante namens 916, die mit den Motoren der kräftigeren 911er ausgerüstet waren.
Der erste Prototyp entstand für Corina Piëch, die Tochter von Ferdinand Piëch, dem Enkel des Firmengründers Ferdinand Porsche und späteren Chef des Volkswagen-Konzerns. 1971, als dieses Fahrzeug entstand, war er Leiter der Motorsportabteilung und führte Porsche mit dem 917 zum zweiten Le-Mans-Gesamtsieg nach 1970. Dieses erste Exemplar unterscheidet sich tiefgreifend von den späteren zehn 916ern, da er die Antriebseinheit aus dem 911 Carrera RSR 2.9 erhielt. Die folgenden drei Autos kamen mit dem Triebwerk des 911 2.4 und die finalen sieben mit dem des Carrera RS 2.7. Dank des RSR-Aggregates in Nummer 1 kommt im Cockpit ein Drehzahlmesser mit rotem Bereich ab 7.500 U/min zum Einsatz. Hinzu kommt eine kraftvolle Kraftstoffpumpe und ein 85 Liter großer Benzintank, während die anderen 916er einen 100-Liter-Tank erhielten. Für mehr Torsionssteifigkeit wurde das beim 914 abnehmbare Targadach beim 916 fest mit der Karosserie verschweißt. Da die dynamischen Ergebnisse dieses Prototypen so dicht am 911er lagen, führten die Erkenntnisse aus dem 916-Programm ins Leere – zwei Sportwagen mit gleichen Fahrleistungen wollten die Zuffenhausener sich nicht ins Modellprogramm stellen.
Im Laufe der Zeit, die dieser 916 Prototyp im Besitz der Piëch-Familie verblieb, erhielt er nicht nur den Spitznamen Brutus, sondern auch einige Interieurveränderungen durch die Porsche Designabteilung unter Anatole Lapine. Im April 1974 verkaufte Corina Piëch den schwarzen Sportwagen für 27.500,- DM an Robert E. Hartvigsen, der im Rang eines Colonel bei der kanadischen Armee in Lahr stationiert war. Anfang 1978 schickte er den Wagen ins Porsche-Werk für eine umfangreiche technische Überholung von Motor und Getriebe nebst neuen Fahrwerkskomponenten, was sich im Rechnungsbetrag von 12.649,- DM niederschlug. Im April des gleichen Jahres kehrte Colonel Hartvigsen zurück nach Kanada und exportierte den 916 in die USA zu seinem Zweitwohnsitz, wo er im Oktober erstmals zugelassen wurde. Nach seinem Tod blieb das Fahrzeug für einige Jahre eingelagert, bevor ein Sammler es fand und mit rund 46.000 Kilometern Laufleistung an den aktuellen Besitzer verkaufte.
Zu diesem Zeitpunkt zeigte sich der Wagen in rostigem und insgesamt eher schlechten Zustand, was eine umfangreiche Restaurierung inklusive Neulackierung nötig machte. Gemeinsam mit Jürgen Barth und dem US-Experten für Porsche 914, George Hussey, sowie Drew Slaton, Spezialist für den 911 RSR, gelang über drei Jahre die Wiederherstellung inklusive eines neue bezogenen Interieurs mit Materialien aus Deutschland. Nun kommt der Porsche 916 Brutus im Rahmen der Retromobile 2019 im kommenden Monat in Paris bei Artcurial unter den Hammer. Erwartet wird dabei ein Zuschlagspreis im Bereich zwischen 800.000,- und 1.200.000,- €.
Bilder: Artcurial