Porsche – Die Geschichte des 911 Turbo
Aller Anfang war schnell – so könnte man die Geschichte des Porsche 911 Turbo überschreiben. Während Turbolader heute häufig nur ein Mittel zum Zweck sind, um die Effizienz von möglichst kleinen Motoren zu steigern, kamen sie in den 1970er Jahren langsam aber stetig auf, um besonders in Rennfahrzeugen für zusätzlichen Dampf auf dem Kessel zu sorgen. Porsche gehörte zu den Vorreitern, die diese Technologie aus Lastwagen, landwirtschaftlichen Geräten und Stationäranwendungen, wo sie Dieselmotoren zu mehr Leistung verhalfen, auf Benzinmotoren adaptierten. Das erste Produkt aus den Zuffenhausener Hallen war dabei der heute berühmte und berüchtigte 917/30 mit bis zu 1.500 PS bei vollem Ladedruck, mit dem man die nordamerikanische Can-Am-Serie nach Belieben beherrschte und schließlich von den Regelmachern verbannt wurde. 1974 fertigte man einige Exemplare des 911 Carrera RSR 2.1 Turbo an, um sich auf die neue Markenweltmeisterschaft für Produktionswagen ab 1975 vorzubereiten. Mit dem neuen Fahrzeug trat man in der Prototypenklasse in Le Mans und bei weiteren Langstreckenrennen an, wobei das Reglement Turbomotoren mit dem Handicapfaktor 1,4 belegte. Der Hubraum wurde also mit 1,4 multipliziert, um die tatsächliche Eingruppierung vorzunehmen. Porsche landete mit dieser Berechnung bei knapp unter drei Litern. Auf 825 Kilogramm Leergewicht trafen je nach eingestelltem Ladedruck bis zu 500 PS.
911 Turbo 3.0 und 3.3
Im gleichen Jahr präsentierte Porsche auch eine erste Straßenversion des 911 Turbo. Aus drei Litern Hubraum holte man mit einem einzelnen Turbolader und ohne Ladeluftkühlung 191 kW/260 PS. Da die Höchstleistung erst einsetzte, wenn der Lader auf Schwung gekommen war, sprach man von einem großen ‚Turboloch‘ und im Bezug auf das dadurch eher schwierige Fahrverhalten im Bezug auf das Gesamtfahrzeug vom ‚Witwenmacher‘. Es war Porsches erster Supersportwagen, was man sich mit einem Blick auf heutige Vertreter dieser Kategorie kaum vorstellen kann. Ursprünglich sollten lediglich 500 Exemplare entstehen, um die Homologation für Rennsporteinsätze zu erreichen. Die Nachfrage überstieg diesen Wert jedoch schnell und führte zu Weiterentwicklungen, die schließlich im 911 Turbo 3.3 von 1977 mündeten. Diesen gab es in der Folgezeit zusätzlich auch als Cabriolet und – einmalig in der Modellgeschichte – als Targa. Der höhere Hubraum, ein größeres Verdichterrad und ein zusätzlicher Ladeluftkühler erhöhten die Leistung auf 220 kW/300 PS. Anfang der 1980er Jahre begann Porsche damit, vermehrt Sonderwünsche aus dem Kundenkreis direkt ab Werk zu erfüllen. Dazu gehörte die stetige Nachfrage nach mehr Leistung, die beim Turbo mit der ‚Werks-Leistungs-Steigerung‘ (WLS) auf 330 PS beantwortet wurde. Diverse externe Tuningunternehmen boten zudem Umbauten der Optik an, um den 911 an den Rennwagen 935 anzulehnen. Bei Porsche entwickelte man daher den Flachbau mit Klappscheinwerfern und zusätzlichen Lufteinlässen vor den Hinterrädern. Zum Grundpreis von 135.000 DM für ein 911 Turbo 3.3 Coupé addierte dieser Umbau weitere 27.500 DM hinzu. Ein ganz besonderes Fahrzeug entstand als Unikat für den berühmten Dirigenten und Porsche-Sammler Herbert von Karajan im Martini-Look als Turbo RS.
911 (964) Turbo 3.3 und 3.6
Nach dem Produktionsende des klassischen 911 Turbo im Jahr 1989 dauerte es zwei volle Jahre, ehe ein Nachfolger präsentiert wurde. In der neuen Modellgeneration 964 arbeitet dabei das 3,3 Liter große Triebwerk aus dem Vorgänger, allerdings nun mit 235 kW/320 PS. Diese Variante nutzte das Brumos-Rennteam in der amerikanischen IMSA-Rennserie, wodurch es zur Kleinserie des 911 (964) Turbo S Leichtbau mit 381 PS kam. Diesen Wert erreichte der ab Januar 1993 angebotene 911 (964) Turbo 3.6 mit 320 PS aus 3,6 Litern Hubraum nicht. Von dieser Version legte die Exclusive-Abteilung auf besonderen Kundenwunsch eine handvoll Cabriolets sowie erneut Varianten mit Flachbau-Schnauze auf, wobei nun hauptsächlich die runden Klappscheinwerfer des 928 und 968 Verwendung fanden. Mit dem Turbo S LM-GT startete Porsche unter anderem bei den 24 Stunden von Le Mans.
911 (993) Turbo, Turbo S und GT (GT2)
Interessanterweise beginnt das Kapitel der Turbo-Versionen auf Basis des 911 (993) mit einer Sonderbestellung des Münchener Porsche-Händlers MAHAG im Jahr 1994. Zu diesem Zeitpunkt gab es lediglich die Carrera-Versionen mit Saugmotoren, aber genügend Kundenanfragen nach einer neuen Topversion. Die MAHAG-Bestellung führte zur Fertigung von 14 Turbo Cabriolets mit dem 3,6 Liter großen Triebwerk aus dem 964, Hinterradantrieb und einem nur für diese Fahrzeuge angefertigten Heckspoiler. Das ein Jahr später präsentierte Coupé verfügte über zwei Turbolader, zwei Ladeluftkühler und erstmals über einen permanenten Allradantrieb, den Porsche rund ein Jahrzehnt zuvor im 959 ausprobiert hatte. Um beiden Turboladern genügend Platz einzuräumen verlagerte man die beiden Ladeluftkühler über den Motor, was einen größeren Grundaufbau des Heckspoilers nötig machte. Die Grundleistung von 408 PS konnte über zwei WLS-Pakete auf 430 oder sogar 450 PS erhöht werden. Ab 1997 gab es parallel den 911 (993) Turbo S mit modifizerter Frontschürze, größerem Heckspoiler und zusätzlichen Lufteinlässen vor den Hinterrädern sowie den 911 (993) GT mit Hinterradantrieb, der üblicherweise inzwischen als ‚GT2‘ bezeichnet wird. Dieser Name rührt von der Rennwagenkategorie her, für die er als Homologationsfahrzeug mit angenieteten Kotflügelverbreiterungen und großem Heckflügel entwickelt wurde. 2018, zwanzig Jahre nach dem Ende der 993-Produktion, stellte die Exclusive-Abteilung das ‚Project Gold‘ als finales Exemplar überwiegend aus originalen Ersatzteilen fertig und ließ es bei RM Sotheby’s versteigern.
911 (996) Turbo und GT1
Aufgrund seiner Bauweise mit Carbon-Monocoque und Mittelmotor gehört der 911 GT1 eigentlich nicht in diese Geschichte. Da er namentlich jedoch den 911ern zugerechnet wurde und ein Turbotriebwerk trägt, erwähnen wir ihn zumindest kurz. Auf die Urversion mit den Leuchteinheiten des 993 folgte 1997 eine Evo-Variante mit verbesserter Aerodynamik und den Lampen der neuen Modellgeneration 996. Da beide Varianten nur wenige Rennerfolge einfahren konnten und zudem die Regularien für die GT1-Kategorie 1998 gelockert wurden, folgte schließlich der 911 GT1/98 als komplette Neuentwicklung mit Rechtslenkung und extrem verbesserter Aerodynamik. In der FIA-GT-Saison gelangen erneut nur wenige Erfolge, aber das prestigeträchtige 24-Stunden-Rennen in Le Mans ging an Porsche. Der 911 (996) Turbo debütierte indes erst Ende 1999 zum Modelljahr 2000. Es blieb beim Allradantrieb und 3,6 Litern Hubraum, nun jedoch mit 420 PS und Variocam-System, also variabler Verstellung von Einlassnockenwellen und Einlassventilen. Ab Ende 2001 gab es erneut eine Werksleistungssteigerung (WLS) auf 450 PS, die im Turbo S ab 2003 Serienstandard wurde. Dieser erhielt zudem erstmals die Carbon-Keramikbremsanlage (PCCB) serienmäßig. Neben dem Coupé gab es endlich wieder ein Cabriolet.
911 (997) Turbo
2006 erschien die nächste Turbo-Generation auf Basis des 911 (997). Erstmals nutzte Porsche hier Turbolader mit variabler Turbinengeometrie (VTG), also Luftleitschaufeln, die sich je nach Ansprechverhalten im Winkel verstellen. Bei geringen Drehzahlen stehen sie steiler im Abgasstrom und lassen die Lader damit deutlich früher ansprechen, um das berüchtigte Turboloch zu eliminieren. Aus weiterhin 3,6 Litern Hubraum schöpften die Ingenieure nun 480 PS und 620 Newtonmeter Drehmoment, die sich per Overboost-Funktion kurzzeitig auf 680 Newtonmeter anheben ließen. Ein Jahr nach dem Coupé folgte erneut das Turbo Cabriolet. Zum Facelift 2009 erhielt das Triebwerk Benzindirekteinspritzung und eine Leistungssteigerung auf 500 PS. Auf Wunsch erhielten Kunden nun das neuartige Doppelkupplungsgetriebe, mit dem die Zeit der eher unbeliebten Tiptronic-Automatikgetriebe vorbei war. Im Turbo S stieg die Leistung ab 2010 auf 530 PS. Er erhielt zudem serienmäßig Leichtmetallräder mit Zentralverschlüssen. Ein besonderes Sondermodell richtete sich an Kunden, die den kommenden Hybridsupersportwagen bestellt hatten: Von der Edition 918 Spyder sollten ursprünglich nur 918 Exemplare entstehen. Unserer Kenntnis nach liefen deutlich weniger vom Band.
911 (991) Turbo
In den jeweiligen Turbo-Ablegern des 911 führt Porsche traditionell neue Technologien ein. Hier machte die Generation 991 keine Ausnahme. Erstmalig erhielt ein 911er hier eine Hinterachslenkung, deren elektronische Kontrolle die Räder je nach Geschwindigkeit mit oder entgegen der Vorderräder einlenkt. Mit 520 PS im Turbo und 560 PS im von Anfang an erhältlichen Turbo S setzte man neue Leistungsmaßstäbe. Ab der Modellpflege im Jahr 2015 erhielten auch alle normalen 911-Ableger turboaufgeladene Triebwerke. Trotzdem hielt man für das Topmodell an der Bezeichnung fest und steigerte hier die Leistung auf 540 (Turbo) und 580 PS (Turbo S). Mit dem auf 500 Coupés und 200 Cabriolets limitierten Turbo S Exclusive Series setzte Porsche 2017 noch eine Stufe drauf. Neben einer vorderen Haube, Dach und Seitenschwellern aus Kohlefaser stand hier ab Werk eine Leistungssteigerung auf 607 PS zur Verfügung. Alle 991er Turbos liefen mit Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe vom Band.
911 (992) Turbo S
Interessanterweise erschien die neueste Generation des 911 (992) bislang ausschließlich als Turbo S. Was einst als finale Sonderserie das baldige Produktionsende ankündigte ist nun also zum Standard geworden. Das Triebwerk mit 3,8 Litern Hubraum erhält spiegelbildlich aufgebaute VTG-Turbolader mit Wastegates und entwickelt 650 PS bei 1,4 bar Ladedruck. Direkt zur Markteinführung haben Kunden die Wahl zwischen Coupé und Cabriolet. Weitere Versionen und Sondermodell dürften in den kommenden Jahren folgen.
Bilder: Porsche