Rover SD1
Britische Autos der 1960er und 1970er Jahre sind bis heute für mangelnde Qualität bekannt. Hauptgrund dafür waren extreme Unstimmigkeiten zwischen den Firmenchefs der Autobranche und den Mitarbeitern an den Fertigungsbändern. Daraus resultierte eine heute fast unvorstellbare Streikwelle sowie extreme Unlust, Qualitätschecks vor der Auslieferung von Neuwagen durchzuführen. So gelangten Fahrzeuge zu den Kunden, an denen Anbauteile fehlten oder nach kurzer Zeit einfach abfielen. Ungewollt sorgten Mitarbeiter und Chefs durch ihre jeweilige Starrköpfigkeit für den schnellen Niedergang der britischen Autoindustrie. Vom schlechten Ruf und den Qualitätsmängeln erholten sich die großen Hersteller aus dem British Leyland Mischkonzern nicht mehr eigenständig. Heute existieren nur noch Land Rover und Jaguar als Teil des indischen Tata-Konzerns.
Erstes Gemeinschaftsprojekt von Rover und Triumph
Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass die damaligen Modellreihen von Herstellern wie Triumph, Austin, MG oder Rover durchaus schönes Design und tolle Detaillösungen boten. Speziell die großen Limousinen hatten das Zeug dazu, im europäischen Markt Käufer zu finden. Was wäre wohl gewesen, wenn die Arbeiter am Band Wert auf hochwertige Fertigungsqualität gelegt hätten? Betrachten wir das ganze mal anhand des Wagens, den die Specialist Division ab 1971 als Nachfolger von Rover P6 und Triumph 2000 entwickelte. Unter der Leitung von David Bache entstand ein Schrägheckmodell mit Designanleihen von einer Pininfarina-Studie auf Basis des Austin 1800 und vom Ferrari 365 GTB/4 ‚Daytona‘. Anfänglich trug das Projekt intern das Kürzel TR1 (Triumph Rover 1), was später zu SD1 (Specialist Division 1) wechsekte. Dabei stand die 1 für das erste gemeinsam entwickelte Auto. SD2 kam nie über das Prototypenstadium hinaus. Stattdessen befasste man sich mit ständigen Verbesserungen des SD1.
Sechs Motorvarianten
British Leyland plante die neue Limousine als Mitbewerber zum Mercedes-Benz W123, Peugeot 504, BMW 5er und Citroën CX ein. Im Sommer 1976 debütierte der Wagen schließlich unter dem Zahlenkürzel 3500 als Topmodell von Rover. Kunden und Händler hielten indes am Namen SD1 fest. Vom Vorgänger P6 stammte das 3,5 Liter große V8-Triebwerk mit zwei SU-Vergasern. Dieser leistete 116 kW/155 PS. Im Folgejahr erweiterte Rover das Motorenprogramm um zwei Reihensechszylinder-Triebwerke mit 2,3 und 2,6 Litern Hubraum als 2300 und 2600. Ab 1982 gab es zusätzlich zwei Vierzylindermotoren, von denen einer ein Turbodiesel mit 66 kW/90 PS von VM Motori war (2400 SD Turbo). Zudem erschien als neues Topmotorisierung der Vitesse mit 142 kW/193 PS. Abgesehen vom Diesel bot Rover für alle Motorisierungen wahlweise Schalt- oder Automatikgetriebe an. Südafrika erhielt Fahrzeuge mit einem 82 kW/111 PS starken 2,6-Liter-Motor.
Rund 300.000 Stück in elf Jahren
Neben einer CKD-Produktion in Südafrika gab es auch SD1 aus Fertigungen in Neuseeland und Indien. Dort entstand der Wagen ab 1986 auf den originalen Werkzeugen aus Solihull und Cowley als Standard 2000. Rover hatte derweil die Produktion des SD1 zugunsten des neuen, gemeinsam mit Honda entwickelten 800 eingestellt. Trotz erfolgreicher Motorsporteinsätze in Tourenwagen-Serien und Großbestellungen der britischen Polizei erreichte die Modellreihe nie die in sie gesetzten Erwartungen. Daran änderte auch der Titel des „Auto des Jahres 1977“ nichts mehr, der von internationalen Motorjournalisten vergeben wurde. In elf Produktionsjahren liefen rund 300.000 Exemplare des Rover SD1 vom Band. Für manche Märkte wie die USA oder Australien modifizierten die Ingenieure die Triebwerke mit einer elektronischen Benzineinspritzung. Trotzdem fanden sich in den USA nur rund 800 Käufer. Inzwischen ist die Schräghecklimousine eine Rarität. Nahezu unbekannt ist hingegen die vom Werk hergestellte Kombi-Version, von der nur Prototpyen entstanden sind.
Bilder: Rover, Archiv Secret Classics